Eine Krone für Alexander (German Edition)
er mit seiner
Familie hier im Exil.“
Neugierig starrten sie die Männer an und tuschelten leise.
Über die Perser wussten sie nur, was jeder Junge in ihrem Alter wusste: dass
sie vor über hundert Jahren Griechenland überfallen und alles kurz und klein
geschlagen hatten, dass sie noch immer die griechischen Städte im Unteren Asien
unterdrückten und dass sie aus allen diesen Gründen die Erbfeinde der Griechen
waren.
„Seht nur, was die für komische Bärte haben“, sagte Proteas.
Er versuchte zu flüstern, doch da er von Natur aus mit einem lauten Organ
gesegnet war, war seine Bemerkung deutlich zu hören. Auch von den Betroffenen
selbst.
„Und erst diese Hosen“, kicherte Langaros.
Die Männer trugen langärmelige Chitone über den
beanstandeten Hosen, außerdem kapuzenartige Kopfbedeckungen mit nach vorn
fallenden Zipfeln, alles in grellbunten Farben. An den goldbeschlagenen Gürteln
blitzte ein Sortiment prunkvoller Krummschwerter und Dolche. Artabazos war der
Älteste in der Gruppe. Wie er dort am Gatter stand, von seinen jüngeren Begleitern
umringt wie von einer Leibwache, wirkte er majestätisch und erhaben. Genauso
hatte Alexander sich immer den Großkönig vorgestellt.
„Es ist unhöflich, Leute anzustarren“, flüsterte Attalos.
Artabazos hatte die Blicke der Jungen bemerkt, doch statt ungehalten
zu sein, lächelte er ihnen einladend zu. Als Alexander sich näher heranwagte,
machte der Perser eine elegante Verbeugung. „Du bist der Sohn des Königs,
Alexander ist dein Name, nicht wahr?“ Er sprach ausgezeichnet Griechisch, fast
akzentfrei.
„Ja, und du bist der frühere Satrap Artabazos.“ Um höflich
zu sein, verbeugte Alexander sich ebenfalls. „Darf ich dir eine Frage stellen?“
„Gern.“
„Sieht der Großkönig aus wie du?“
„Aber nein, der Großkönig ist unendlich viel erhabener als
ich und auch als jeder andere Sterbliche auf Erden!“
Alexander fragte sich, ob Artabazos ihn auf den Arm nehmen
wollte, und wechselte das Thema. „Wie kommt es, dass du so gut Griechisch
sprichst?“
„Meine Familie ist seit vielen Generationen im Unteren Asien
ansässig. Sie unterhielt schon immer enge Beziehungen zu den Griechen dort.
Meine Frau ist Griechin, meine Kinder sprechen Griechisch genauso gut wie Persisch
und haben eine griechische Erziehung genossen. Das hier sind meine ältesten
Söhne: Pharnabazos, Ariobarzanes, Arsames und Kophen.“ Die vier jungen Männer
verbeugten sich höflich nacheinander, als ihr jeweiliger Name genannt wurde.
In diesem Augenblick wurden die
Pferde in den Pferch getrieben, auf die alle gewartet hatten. Die anderen
Jungen wagten sich nun ebenfalls aus der Deckung, und die folgende Stunde war
der fachmännischen Begutachtung der Tiere gewidmet. Wie sich herausstellte,
waren die Perser ebenso große Pferdenarren wie die Makedonen.
„Persepolis ist viel großartiger als der Palast hier in
Pella“, behauptete Artabazos, während er seinen Gast im Garten bewirtete. Der
ehemalige Satrap bewohnte mit seiner Familie ein weitläufiges Anwesen nahe der
Stadt. Er schien über Alexanders Besuch erfreut zu sein. Bereitwillig hatte er
zu erzählen begonnen, über sein Volk, die Perser, über ihre Sitten und Gesetze und
auch über die königlichen Residenzen.
„Nichts gegen den Palast des Archelaos, er ist wirklich nett
... sehr geschmackvoll. Aber Persepolis! Persepolis ist ein Wunder! Die Decken
der Säle und Gemächer bestehen aus edlen Hölzern, sie sind kunstvoll geschnitzt
und in leuchtenden Farben lackiert. Die Wände sind mit Reliefs geschmückt, die
Fußböden bestehen aus Marmor und edlem Stein. Überall gibt es kostbare Teppiche
und Möbel, Lampen und Kissen und Vorhänge aus schimmernden Stoffen. Aber das
größte aller Wunder ist der Thronsaal, der Apadana! Breite Freitreppen führen
zu ihm hinauf, sechsunddreißig Säulen, hoch wie Bäume, stützen die Decke. Die
Kapitelle sind mit Stierköpfen verziert, deren Hörner vergoldet sind.“
Wehmütig schweifte Artabazos’ Blick in die Ferne. Früher,
als Satrap, musste er oft in Persepolis gewesen sein. Seine Mutter war eine
Tochter des alten Großkönigs Artaxerxes Mnemon gewesen.
„Jedes Jahr zum Neujahrsfest treffen Abgesandte aus allen
Satrapien des Reiches in Persepolis ein. Sie kommen aus dem Unteren Asien, aus
Phönikien und Babylon, aus Baktrien und Sogdiane und sogar aus dem fernen
Indien. Sie alle wollen dem Großkönig Geschenke bringen und ihm huldigen. Nun
stell dir vor, du
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