Eine Krone für Alexander (German Edition)
aussah. Hier war jemand beigesetzt worden, der einmal
große Verehrung genossen haben musste.
„Ich glaube dir“, sagte er.
Auf der Ebene unterhalb der Stadt sammelte sich die Armee.
Tausende von Soldaten marschierten seit dem Morgengrauen auf und zertrampelten
das vom Winter noch mitgenommene Gras. Die Luft hallte wider von ihrem
Marschtritt, dem Geklirr ihrer Waffen und den Kommandos der Offiziere.
Pferdehufe donnerten über den Boden, der von den winterlichen Regenfällen noch
schwer und lehmig war. Alexander kämpfte sich mit Leonidas und Phoinix durch
das Getümmel. Er bestaunte die blitzenden Brustpanzer und die flatternden
Rosshaarbüsche der Offiziere, die wehenden Umhänge der Reiter und die polierten
Schilde der Fußsoldaten.
Weiter unten, gleich bei der Straße, sah er eine Gruppe weiß
gekleideter Männer über etwas gebeugt, das auf dem Boden lag. Dann richteten
sie sich auf, überquerten die Straße und legten auf der anderen Seite etwas ins
Gras. Die Entfernung war zu groß, um erkennen zu können, was es war.
„Was haben sie dort hingelegt?“, fragte Alexander.
„Einen toten Hund“, antwortete Leonidas, dem es inzwischen
wieder besser ging. „Sie haben den Kadaver in der Mitte durchgehauen. Den
vorderen Teil mit dem Kopf haben sie auf die rechte Seite der Straße gelegt,
den hinteren auf die linke. Gleich wird die Armee zwischen den beiden Hälften
hindurchparadieren, um sich rituell zu reinigen.“
Die Xanthika waren ein uraltes Ritual. Es fand einmal im Jahr
statt, im Monat Xanthikos, der Xanthos geweiht war, dem alten makedonischen
Kriegsheros. In diesem Jahr durfte Alexander zum ersten Mal dabei sein. Außerdem,
so wusste er inzwischen, wurden die Xanthika auch abgehalten, wenn ein König
gestorben war und ein neuer gewählt werden musste.
Phoinix zeigte aufgeregt die Straße hinauf, wo sich mit
lautem Hufgetrappel eine Gruppe von Reitern näherte und auf der Straße
Aufstellung nahm. Jeder der Reiter trug eine Standarte. „Das sind die Feldzeichen
der makedonischen Könige, von allen, die jemals regiert haben, seit Karanos.
Und dort hinten kommt der König selbst!“
Der König trug seine blitzende Paraderüstung und eine purpurfarbene
Chlamys. Jedenfalls nahm Alexander an, dass es sich um den König handelte, denn
natürlich trug er einen Helm. Doch er musste es sein, denn sogar aus der
Entfernung funkelte seine Rüstung heller als die aller anderen.
„Es geht los“, flüsterte Phoinix.
Der Wald von Standarten setzte sich in Bewegung. Begleitet
vom Klang der Flöten und Trommeln wurden sie zwischen den Hälften des toten
Hundes hindurchgetragen. Dahinter ritt der König an der Spitze seiner Hetairen.
Leonidas erläuterte Alexander die Reihenfolge, in der die einzelnen Heeresteile
folgten. „Zuerst kommt natürlich die berittene Leibgarde des Königs, die
Hetairen-Reiterei. Dann die Garde zu Fuß, die Pezhetairen.“
Fasziniert verfolgte Alexander das Schauspiel. Hinter den
Garderegimentern folgten die regulären Truppen, zuerst die Reiterei, dann das
Fußvolk, Einheit für Einheit. Es dauerte lange, bis alle Soldaten den Kadaver
passiert hatten. Als die letzten vorüberparadiert waren, setzte sich Alexander
auf seinem Pony in Bewegung, um sich ihnen anzuschließen. Leonidas brauchte
einen Augenblick, um sich von seiner Überraschung zu erholen, dann folgte er
ihm und griff ihm in die Zügel. „Was machst du da?“
„Ich reite mit den Soldaten“, sagte Alexander, als sei das
das Allernatürlichste von der Welt.
„Nein! Das Ritual ist nur für die Armee bestimmt.“
„Ich bin der Sohn des Königs und werde einmal selbst König
sein. Warum soll ich also nicht mit den Soldaten reiten?“
„Weil du dazu noch zu klein bist! Und ganz sicher bist du
kein Teil der Armee. Lass uns lieber hinunter in die Ebene reiten. Dort finden
gleich Manöver und Scheinkämpfe statt.“
Phoinix fügte tröstend hinzu: „In ein paar Jahren bist du
alt genug, und dann wirst du bei den Xanthika neben deinem Vater reiten, ganz vorn
an der Spitze.“
10
Die Jungen trieben sich bei den Stallungen herum, wo eine
Lieferung neuer Pferde für die Armee erwartet wurde, als eine Gruppe exotisch
gekleideter Männer den Hof betrat. „Der in der Mitte ist Artabazos“, flüsterte
Alexander seinen Freunden zu. „Er war früher Satrap im Unteren Asien. Vor ein
paar Jahren hat er eine Rebellion angezettelt, und nachdem der Großkönig sie
niedergeschlagen hatte, musste Artabazos fliehen. Seitdem lebt
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