Eine Krone für Alexander (German Edition)
selbst schuld. Sie haben
das Bündnis gebrochen, das sie nicht nur mit meinem Vater und mir geschlossen
hatten, sondern mit allen Griechen. Sie zogen es vor, sich auf die Seite des
Großkönigs zu schlagen, wie schon damals, als Xerxes Griechenland verwüstet und
…“
„Das sind uralte Geschichten“, unterbrach Anemoitas. „Warum
werden sie immer und immer wieder aufgewärmt? Die persischen Heerscharen haben
unsere Stadt damals einfach überrannt, wir hatten keine Wahl als uns zu
ergeben.“
„Diesmal hattet ihr eine. Noch an dem Tag, an dem eure Stadt
gefallen ist, gab ich sie euch. Doch ihr habt durch Herolde dazu aufrufen
lassen, gemeinsame Sache mit dem Großkönig zu machen. Hundertfünfzig Jahre,
nachdem Xerxes Griechenland verheert hat, haben wir endlich die Chance,
Vergeltung dafür zu üben, doch ihr verbündet euch mit unserem Erbfeind. Für
diesen Verrat werden euch die Griechen nun bestrafen.“
Theogeiton ergriff das Wort: „Den Griechen geht es doch gar
nicht um den Krieg gegen die Perser. Die Delegierten aus den boiotischen
Städten hetzen das Synhedrion gegen uns auf. Die Boiotier sind es ja, die von
einem harten Urteil gegen uns am meisten profitieren würden, denn unser Land
soll unter ihnen verteilt werden. Sie haben uns schon immer gehasst.“
„Dazu hatten sie auch allen Grund. Ihr Thebaner habt sie
seit Generationen unterdrückt, ihr habt boiotische Städte wie Plataiai,
Orchomenos oder Thespiai zerstört und die Bevölkerung umgebracht oder in die
Sklaverei verkauft. Nun widerfährt euch das Gleiche, nur mit dem Unterschied,
dass es euch zu Recht geschieht.“
Wieder sahen Anemoitas und Theogeiton einander schweigend
an. Sie mussten begriffen haben, dass sie auf verlorenem Posten standen.
„Ich sorge dafür, dass alle Thebaner, die Gastfreunde unter
den Makedonen haben, von dem Verdikt ausgenommen werden“, sagte Alexander
schließlich. „Ebenso die Priester mit ihren Familien und die Nachfahren des
Dichters Pindar. Und wenn Bürger anderer Städte ihre thebanischen Gastfreunde
freikaufen möchten, soll ihnen das erlaubt sein. Mehr kann ich nicht tun.“
Es war schon spät am Abend, als Hephaistion ins Zelt
schlenderte. Alexander, der noch einige Berichte durchging, sah kurz auf und
lächelte, ehe er sich weiter in seine Lektüre vertiefte. Hephaistion nahm eine
Schriftrolle aus einem der Büchergestelle und ließ sich auf einer Kline nieder.
Nach einiger Zeit warf er das Buch geräuschvoll zur Seite und nahm sich ein
neues, das ihm ebenso wenig zuzusagen schien. Er seufzte, raschelte mit dem Papyros,
stöberte in den Gestellen, zog Bücher aus ihren Etuis und schob sie wieder
hinein. Dabei gelang es ihm, so viel Lärm zu erzeugen, dass Alexander
schließlich aufblickte.
„Was ist?“
„Nichts.“
„Warum machst du dann solchen Lärm?“
„Ich wollte dich nicht stören.“
Alexander legte die Schreibtafel zur Seite. „Wenn du etwas
auf dem Herzen hast, dann raus mit der Sprache.“
„Es ist nichts.“ Hephaistion fuhr sich nervös durch das
Haar. „Nur … ich musste vorhin an Kabyle denken.“
„Kabyle?“, fragte Alexander verblüfft. Ihm kam es vor, als
liege die Einnahme der thrakischen Festung schon sein halbes Leben zurück. „Wie
kommst du darauf?“
„Erinnerst du dich noch daran, was damals mit den Frauen
passierte?“
Alexander seufzte und schob seine Unterlagen endgültig zur
Seite.
Hephaistion fuhr fort: „Die Soldaten fielen über sie her,
danach wurden sie mit ihren Kindern zu den Sklavenmärkten getrieben. Alle, die
zu alt oder zu schwach waren zum Laufen, wurden getötet. Für uns Königsjungen
war es das erste Mal, dass wir so etwas mitansehen mussten. Einigen von uns ist
das damals ganz schön an die Nieren gegangen. Seither haben wir solche Dinge
noch oft gesehen … die skythischen Gefangenen, die illyrischen und thrakischen
Dörfer, die wir niedergebrannt haben …“
„Das ist eben der Krieg“, sagte Alexander achselzuckend.
„Diesmal ist es eine griechische Stadt, vielleicht kommt es
einem deshalb noch schlimmer vor. Es müssen Zehntausende von Menschen sein.
Willst du sie wirklich alle in die Sklaverei verkaufen lassen?“
„Das Synhedrion hat darüber zu entscheiden, nicht ich.“
„Wirklich?“ Hephaistion setzte sich auf seiner Kline auf und
schwang die Füße auf den Boden. „Die Delegierten sind doch starr vor Angst! Sie
fürchten, ihrer Stadt könnte dasselbe passieren wie Theben, wenn sie nicht
spuren. Wenn du
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