Eine Krone für Alexander (German Edition)
verlangen würdest, dass sie das Urteil abmildern, würden sie es
tun.“
„Selbst wenn das so wäre – was dann? Welchen Beschluss soll
ich den Delegierten deiner Meinung nach nahelegen? Dass sie die Thebaner
einfach so davonkommen lassen sollen?“
„Warum nicht? Was wäre so schlimm daran, die Sache auf sich
beruhen zu lassen? Die Thebaner sind besiegt. Welchen Schaden können sie noch
anrichten?“
Alexander seufzte, als unterhalte er sich mit einem
Kleinkind, das nicht einsehen wollte, dass die Erwachsenen von ihm nur
verlangten, was vernünftig war. „Also gut, ich erkläre es dir. Die Thebaner haben
schon ihr Bündnis mit meinem Vater gebrochen – und doch behandelte er sie nach
unserem Sieg bei Chaironeia glimpflich. Nach seinem Tod wollten sie die
Verträge mit uns nicht einhalten; ich musste erst mit meinem Heer kommen und
sie zwingen. Und kaum wende ich ihnen den Rücken zu, schlagen sie sofort wieder
los. Trotz allem habe ich ihnen immer wieder goldene Brücken gebaut. Ich bot
an, die Sache zu vergessen, wenn sie nur einlenken. Noch am Tag der Einnahme
gab ich ihnen eine letzte Chance – du hast ihre Antwort selbst gehört. Die
Thebaner sind unbelehrbar. Im Moment liegen sie am Boden, doch bei nächster Gelegenheit
würden sie mir sofort wieder in den Rücken fallen.“
„Die Thebaner, von denen du sprichst, gibt es nicht mehr.
Die meisten wehrfähigen Männer sind tot oder geflohen.“
„Wenn wir abziehen, würden die Geflohenen sofort zurückkommen,
und ich wette, die Aufrührer würden unter ihnen sein. Sie sind immer die Ersten,
die sich in Sicherheit bringen, sobald es brenzlig wird.“
„Eben“, erwiderte Hephaistion hartnäckig. „Die Unruhestifter
sind längst über alle Berge, übrig sind hauptsächlich Frauen und Kinder und
alte Leute. Du kannst sie nicht für das verantwortlich machen, was ihre Regierung
angerichtet hat.“
„Du weißt, das spielt keine Rolle. Wenn eine Stadt mit Waffengewalt
eingenommen wird, dann wird sie zerstört, die Männer werden umgebracht und die
Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauft. Das ist das übliche Procedere seit
Trojas Zeiten. Niemanden interessiert, wer wofür verantwortlich ist. So hat
mein Vater es mit Olynthos und vielen anderen Städten gemacht, so ist es schon
immer gewesen.“
„Und weil es eben so üblich ist, musst du es auch so
machen?“ Hephaistion stützte die Ellbogen auf die Knie und verbarg sein Gesicht
in den Händen. Plötzlich wirkte er erschöpft und mitgenommen. „Ich dachte, du
willst die Griechen einen und ihre Landsleute in Asien von der Perserherrschaft
befreien – nicht ihre Städte zerstören und die Einwohner in die Sklaverei
verkaufen.“
Alexander stand auf, ging zu ihm hinüber und setzte sich neben
ihn auf die Kline. „Hephaistion, ich bin kein Unmensch. Was du eben gesagt
hast, wegen der Frauen und Kinder … Meinst du, ihr Schicksal berührt mich
nicht?“
Hephaistion ließ die Hände sinken und sah zu Alexander auf.
„Wenn es das tut, warum unternimmst du nichts?“
„Weil ich nicht kann.“
„Weil du nicht kannst – oder nicht willst?“ Hephaistion richtete
sich auf und legte Alexander die Hand aufs Knie. „Kann es sein, dass du nur deshalb
keine Gnade gewähren willst, weil die Thebaner dich beleidigt haben und du
wütend auf sie bist?“
„Ich bin nicht wütend.“ Alexander stand auf und begann, ruhelos
hin und her zu gehen.
Hephaistion fuhr fort: „An dem Tag, an dem wir Theben eingenommen
haben, warst du es jedenfalls sehr, und ich glaube, du bist es immer noch. Du
warst auch wütend, als du die getische Stadt zerstört hast. Die Geten hatten
dich provoziert, deshalb hast du ihr armseliges kleines Nest niedergebrannt,
obwohl sie selbst längst auf und davon waren. Lass dich nicht von deinem Zorn
zu etwas hinreißen, was du später bereust. Als Nachfahre von Achilleus müsstest
du wissen, dass dabei nichts Gutes herauskommen kann.“
„Ich bin nicht wütend“, wiederholte Alexander, „und ich
lasse mich auch nicht zu etwas hinreißen. Die Zerstörung der Geten-Stadt hat
mir bei den Stämmen am Istros Respekt verschafft, so ist es mir gelungen,
unsere Nordgrenze zu sichern. Damals habe ich überlegt und rational gehandelt,
und das tue ich auch jetzt.“ Hephaistion gab ein spöttisches Lachen von sich,
doch Alexander ignorierte es. „Du hast gesehen, wie die Griechen sich verhalten,
seit ich König wurde. Wenn sie denken, ich sei schwach, vertreiben sie meine
Garnisonen,
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