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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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setzen mir freundlich gesonnene Regierungen ab, sie rebellieren und
intrigieren und hetzen alle anderen gegen mich auf. Doch sobald ich ihnen die
Peitsche zeige, kommen sie angekrochen und winseln um Vergebung. Die Griechen
verstehen nur die Sprache der Gewalt.“
    „Und das ist der Grund, warum du Theben auslöschen willst?“
    „Wenn ich freie Hand für den Krieg gegen die Perser haben
will, muss ich zuvor in Griechenland für Ruhe sorgen, und zwar ein für alle
Mal. Ich kann nicht nach Asien aufbrechen, solange in meinem Rücken ständig
neue Aufstände aufflackern. Deshalb werde ich an Theben ein Exempel statuieren.
Danach wird niemand es mehr wagen, sich gegen mich zu stellen.“
    Hephaistion starrte ihn an, dann stand er auf. „Dann bist du
nicht besser als die illyrischen Wilden, die kleine Kinder für ihr Kriegsglück
schlachten.“ Er ging zur Tür, blieb dort aber noch kurz stehen. „Nur, dass du
nicht nur sechs Menschenleben opferst, sondern viele Tausend.“
    Alexander nahm eine Schreibtafel vom Tisch und warf. Sie
prallte gegen die Zeltwand. Hephaistion war schon gegangen.
    Der Zug aneinandergeketteter Elendsgestalten schleppte sich
langsam die Straße entlang, vorwärtsgetrieben von Schlägen und Beschimpfungen.
Als sich die Reitergruppe von hinten näherte, schlugen die Bewacher noch heftiger
auf die Gefangenen ein und drängten sie an den Rand der Straße, um Platz für
die Reiter zu schaffen. Staub stieg auf, von Pferdehufen aufgewirbelt, und
wehte als schwefelfarbene Wolke über die geduckten Männer am Straßenrand. Sie
husteten, während Alexander an der Spitze seiner Leibgarde an ihnen
vorüberdonnerte.
    Soldaten hatten die Bewohner aus der Stadt getrieben. Sie hatten
die Häuser durchkämmt, die Menschen herausgezerrt und sie vor den Mauern in
Pferchen zusammengetrieben. Frauen weinten, Kinder schrien und drückten sich
schutzsuchend an ihre Mütter. Sklavenhändler liefen geschäftig durch die
Pferche und begutachteten die darin gefangenen Menschen wie Vieh auf dem Markt.
Die Glücklicheren wurden freigekauft, von Verwandten oder Freunden, die aus
ganz Griechenland nach Theben gekommen waren. Alle anderen wurden erbarmungslos
von den Sklavenhändlern davongezerrt. Sie würden ihr Leben in der Fremde
beschließen, unfrei, heimatlos und ohne Hoffnung. Familien wurden
auseinandergerissen, Frauen von ihren Männern getrennt, Kinder von ihren
Eltern. Das freie Feld vor der Stadt hallte wider von den Klagen der
Verzweifelten.
    Noch bevor die Letzten fortgeschleppt wurden, wurde die
Stadt angezündet. Sie brannte einen Tag und eine Nacht. Bei Tag hing eine
Rauchwolke am Himmel, in der Nacht erhellte der Feuerschein die Dunkelheit, und
das war Letzte, was die Verschleppten von ihrer Heimat sahen. Als die Ruinen
abgekühlt waren, wurden sie niedergerissen und eingeebnet. Nichts sollte von
der altehrwürdigen und mächtigen Stadt bleiben, die hier einst gestanden hatte.
Nichts außer den Tempeln, dem Haus des Dichters Pindar und der Kadmeia mit
ihren sieben Toren.
    Theben, das von Kadmos gegründet worden war, in dem Dionysos
und Herakles geboren worden waren und für das Menoikeus gestorben war, die
Stadt des Pentheus, des Ödipus und der Antigone – diese Stadt gab es nicht
mehr. Das Geschlecht derer, die einst aus den Drachenzähnen entsprossen waren,
war ausgelöscht, ihre letzten Nachkommen wurden in alle Himmelsrichtungen
zerstreut. Bald würde der Wind über das verödete Land streichen.
    Ganz Griechenland hielt den Atem an.
    Der Trupp von Gefangenen, die auf der Straße nach Norden
getrieben wurden, bestand ausschließlich aus wehrfähigen Männern. Sie gehörten
zu den wenigen, die die Kämpfe überlebt hatten. Vermutlich warteten die
Bergwerke auf sie.
    Während Alexander mit seiner Eskorte an dem hoffnungslosen
Zug entlangritt, sagte er zu Hephaistion: „Herzlichen Glückwunsch. Du bist ein
Athener.“
    „Wie bitte?“ Hephaistion zügelte sein Pferd kurz und starrte
Alexander entgeistert an.
    „Ich habe vorhin eine Nachricht erhalten: Die Athener haben
deinen Vater zum Ehrenbürger ernannt, zum Dank für die Verdienste, die er ihnen
als Staatsgastfreund erwiesen hat. Die Ernennung gilt für ihn und seine
Nachkommen, also auch für dich. Du bist ab sofort also Athener.“
    Plötzlich löste sich aus der Kette der Gefangenen, die am
Straßenrand dahintaumelten, eine Gestalt und warf sich unmittelbar vor ihnen
bäuchlings auf die Straße. Bukephalos scheute und bäumte sich auf.

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