Eine Krone für Alexander (German Edition)
Das
arkadische Heer, das den Thebanern hatte zu Hilfe kommen wollen, dann aber am
Isthmos abgewartet hatte, kehrte um und marschierte nach Hause, so schnell und
unauffällig, wie einige Tausend Bewaffnete sich eben bewegen können. Die Verantwortlichen,
die die Arkadier in das Abenteuer hineingeritten hatten, wurden von ihren
erbosten Mitbürgern zum Tode verurteilt und hingerichtet. Auch andere
Stadtstaaten, die ihre promakedonischen Regierungen davongejagt hatten, riefen
sie nun eilig zurück. Sie schickten Gesandte, die Alexander zu seinem Sieg über
Theben beglückwünschten und ihn zugleich der unverbrüchlichen Loyalität ihrer
jeweiligen Staaten versicherten. Alexander tat, als ob er ihren Beteuerungen
Glauben schenkte, und schickte sie zurück mit einer Einladung nach Korinth.
Dort sollte eine außerplanmäßige Ratsversammlung über die gegen Theben zu verhängende
Strafe beraten.
Einige Tage später traf wiederum eine Gesandtschaft aus
Athen ein. Diesmal waren die Gesandten nur zu zweit, vielleicht, weil außer
ihnen niemand den erforderlichen Mut aufgebracht hatte. Sowohl Demades als auch
Phokion verfügten erwiesenermaßen über Zivilcourage. Also hatte man sie
vorgeschickt, um Alexander die Antwort ihrer Mitbürger zu überbringen: Die
Athener lehnten es ab, die zehn auf der Liste auszuliefern. Stattdessen boten
sie an, die Betreffenden selbst vor Gericht zu stellen und sie nach ihren
eigenen Gesetzen zu bestrafen.
Alexander war bereits aufgesprungen. Er warf Phokion und
Demades die Schriftrolle vor die Füße und stürmte aus dem Empfangszelt. Alkimachos
und Amyntor folgten ihm auf dem Fuß.
„Was bilden sich diese Athener ein?“, brüllte Alexander,
noch in Hörweite der Gesandten. „Alles, was ich von ihnen verlange, ist die
Auslieferung der notorischen Unruhestifter! Statt froh zu sein, dass sie so
billig davonkommen, haben sie die Stirn, sich zu weigern!“
„Leider ist es gelaufen wie immer“, berichtete Amyntor, der
zusammen mit Demetrios und den Gesandten aus Athen gekommen war. „Phokion
verlangte in der Volksversammlung, die Betreffenden sollten die Verantwortung
übernehmen und sich freiwillig stellen, um weiteren Schaden von ihrer Stadt
abzuwenden. Doch Demosthenes’ Anhänger buhten Phokion aus. Dann stieg er selbst
auf die Rednertribüne, und wie üblich ließen sich die Athener von seiner
Redekunst einlullen. Er warnte sie, ihn und die anderen auszuliefern – das wäre
nicht anders, als wenn Schafe ihre Hütehunde den Wölfen zum Fraß vorwerfen würden.“
„Schafe – was für ein passender Vergleich! Die Athener sind
tatsächlich wie eine Schafherde, die stumpfsinnig zur Schlachtbank trottet.
Immer wieder lassen sich von ihren Demagogen zum Abgrund treiben, und jedes Mal
lassen sie die Verantwortlichen ungestraft davonkommen. Das gilt übrigens nicht
nur für die Athener, sondern für die Griechen generell! Sie wissen nicht, was
Verantwortung bedeutet.“
Alkimachos räusperte sich. „Vielleicht solltest du doch in
Erwägung ziehen, den Vorschlag anzunehmen.“
„Wie bitte?“, fragte Alexander empört. „Wie kannst du so
etwas verlangen! Glaubst du etwa, die Athener meinen es ernst mit ihrem
Angebot, die Schuldigen vor Gericht zu stellen?“
„Wahrscheinlich nicht“, gab Alkimachos zu.
„Na also! Wenn ich mit meinem Heer erst einmal vor ihren
Mauern stehe, werden sie es sich schnell anders überlegen und die Unruhestifter
ausliefern.“
„Und wenn nicht?“, schaltete sich wieder Amyntor ein. „Dann
müssten wir Athen belagern, und das würde uns weitere Zeit kosten.“
„Und wenn schon! Vor dem nächsten Frühjahr können wir
ohnehin nicht mehr nach Asien aufbrechen, dazu ist es inzwischen endgültig zu
spät. Und das ist die Schuld der Thebaner! Ihnen und ihrem blödsinnigen
Aufstand habe ich diese Verzögerung zu verdanken.“
„Es ist nicht gesagt, dass wir mit Athen so schnell fertig
werden wie mit Theben. Die Stadt und ihr Hafen sind schwer befestigt. Wir
könnten monatelang festsitzen – wenn wir Pech haben, bis ins nächsten Jahr, und
dann wird es wieder nichts mit Asien. Außerdem sind wir auf die Flotte der
Athener angewiesen. Jetzt hast du sie am Haken! Verlange Schiffe von ihnen, mit
denen kannst du mehr anfangen als mit zehn abgehalfterten Politikern.“
Alexander rieb sich mit der Hand über das Kinn. Amyntors
Argumente leuchteten ihm ein.
Hephaistions Vater fuhr fort: „Selbst wenn du ihre
Auslieferung erzwingen würdest – was hast du
Weitere Kostenlose Bücher