Eine Krone für Alexander (German Edition)
leicht bittere Geruch von Kräutern,
die in den Kohlenbecken verbrannten. Früher hatte er den Duft geliebt, nun
reizte er ihn fast zum Erbrechen. „Worauf willst du hinaus? Glaubst du wirklich,
Alexander will in Thrakien eine Rebellion gegen mich anzetteln? Warum sollte er
das?“
Sie zuckte die Achseln. „Alle Lynkesten sind Intriganten, genau
wie deine Großmutter, die Oberintrigantin Eurydika. Sie brauchen keine Gründe.“
Im Grunde war Alexander der gleichen Meinung, aber ihr gegenüber
würde er das nicht zugeben. „Alexander hat seine Loyalität unter Beweis
gestellt – er hat sich sofort nach Philipps Tod auf meine Seite geschlagen.
Deshalb habe ich bei dem Prozess gegen seine Brüder dafür gesorgt, dass er
freigesprochen wurde.“
„Deshalb und weil Antipatros es wollte.“
„Natürlich lag ihm das Schicksal seines Schwiegersohns am
Herzen. Antipatros hat mich nach Philipps Tod vorbehaltlos unterstützt. Ohne
ihn wäre bei Weitem nicht alles so glatt gelaufen. Warum hätte ich ihm also
nicht ein wenig entgegenkommen sollen?“
„Hast du dich nicht manchmal gefragt, warum er so an seinem
Schwiegersohn hängt?“
Doch, schon oft. „Ist das nicht ganz normal?“
Sie gab ein verächtliches Schnauben von sich. „Du denkst,
dass Antipatros deinen Rücken deckt, aber in Wirklichkeit verfolgt er seine
eigenen Interessen. Unter Philipp war er nur ein Handlanger. Nun, wo es ihn
nicht mehr gibt, wittert er die Gelegenheit, die Macht an sich zu reißen.“
„Die Macht liegt in den Händen des Königs, und der bin ich.“
Es waren nicht nur die Kohlenbecken, erkannte er, die ihm das Atmen
erschwerten. Auch ihre bloße Gegenwart lastete auf ihm.
„Nur dem Namen nach, wenn es nach Antipatros geht. Ihm ist
egal, wer unter ihm König ist. Am liebsten wäre ihm allerdings sein
Schwiegersohn. Dessen Vorfahren saßen schon einmal auf dem Thron. Jetzt, wo
Amyntas tot ist, ist er der nächste Anwärter, denn Arrhidaios zählt nicht.
Sogar den Dummköpfen im Süden ist das klar. Als sie dich für tot hielten,
gingen sie davon aus, dass der Lynkeste deine Nachfolge angetreten hat. So war
es doch, oder?“
Wieder einmal staunte er, wie gut sie informiert war. Und
wie genau sie wusste, wie sie ihn manipulieren konnte.
„Deshalb war Antipatros auch so dafür, Amyntas zu beseitigen“,
fügte sie triumphierend hinzu.
Alexander glaubte, es nicht einen Augenblick länger
aushalten zu können. Er stand auf und griff nach seiner Chlamys. „Du weißt,
dass das nicht wahr ist! Antipatros hat sich nie für Amyntas’ Tod ausgesprochen.
Du warst diejenige, die unbedingt wollte, dass er hingerichtet wird. Du warst
es, die Beweise gegen ihn gesammelt hat.“
Auch sie erhob sich. „Ich habe es getan, um dein Leben zu
schützen.“
Einen Augenblick standen sie einander gegenüber und starrten
sich an.
„Ich weiß, du bist nur wegen Thessalonika gekommen“, sagte
sie schließlich. „Nicht meinetwegen. Trotzdem werde ich nie aufhören, dich zu
schützen. Noch mit meinem letzten Atemzug werde ich es versuchen. Selbst wenn
du es nicht einmal erträgst, mit mir ihm gleichen Raum zu sein.“
10
Der scheppernde Klang von Metall, das auf Metall schlug,
schallte durch die Höfe, vermischt mit dumpferen Tönen von Metall auf Holz,
Metall auf Leder. Dazwischen Keuchen und Stöhnen, das von kontrollierter
Anstrengung zeugte, wie bei einem Soldaten, der sein tägliches Trainingspensum
absolvierte. Nur dass die Tonlage anders war, höher und heller. Wie bei einer
Frau.
Alexander betrat den Übungshof, der jetzt, kurz vor Sonnenuntergang,
fast verlassen war. Zwischen den Säulen, die ihn umgaben, lag zusammengefaltet
ein Stapel sauberer Kleidung, daneben ein Handtuch, eine Haarbürste und ein
Fläschchen mit Salböl. Er setzte sich daneben und sah der einsamen Gestalt bei
ihren Übungen zu. Versehen mit Brustpanzer, Beinschienen, Helm und Schild, malträtierte
sie mit ihrem kurzen Schwert eine Strohpuppe, die man mit einem alten,
verbeulten Brustpanzer aus Armeebeständen ausgerüstet hatte. An der rechten
Seite war ein ramponierter, halb in Stücke gehauener Schild befestigt, und oben
thronte ein Infanteriehelm, der auch schon bessere Tage gesehen hatte.
Die Gestalt bewegte sich mit der Geschmeidigkeit lang eingeübter
Routine und platzierte Hiebe nach den traditionellen Übungsschemata, die jedem
Soldaten geläufig waren: rechts, links, nach oben, nach unten, Drehung, Bücken
unter der imaginären Deckung des Gegners
Weitere Kostenlose Bücher