Eine Krone für Alexander (German Edition)
und durch den Schmerz wurde
sein Geist eine Spur klarer. Sein Blick streifte zur Tür, zu Peritas. Der Hund
war aufgesprungen und hechelte, die spitzen Ohren nach vorn gerichtet. Offenbar
sah er keinen Grund zum Eingreifen. Er legte sich wieder hin.
Alexander begriff, dass Gegenwehr im Augenblick sinnlos war.
Hephaistion konnte ihm die Kehle durchschneiden, bevor er etwas dagegen unternehmen
konnte. „Was ist?“, zischte er ihm ins Gesicht. „Worauf wartest du?“
„Und du? Worauf wartest du? Ein Ton von dir, und
Admetos und seine Männer stürmen herein. Wenn sie mein Messer an deiner Kehle
sehen, werden sie mich wegzerren und festnehmen. Dann musst du mich als Verräter
anklagen wie Amyntas und die anderen. Dann hast du keine Wahl.“
Alexander antwortete nicht. Sein Atem ging stoßweise, und er
spürte sein Herz bis zum Hals schlagen. Doch allmählich ebbte die Panik ab.
Seine Gedanken wurden klarer und klarer. So klar wie seit Tagen nicht mehr. Es
war wie das Gefühl, aus einem quälenden Alptraum zu erwachen. Wenn Hephaistion
beabsichtigt hätte, ihn zu töten, hätte er das längst getan.
„Du bist kein Verräter“, brachte Alexander hervor.
„Ach nein?“
„Wenn ich eines weiß, dann das. Und wenn nicht, würde ich
nicht mehr leben wollen. Dann könntest du mich gerne töten.“
Mit kalter Stimme sagte Hephaistion: „Schön, dass du immerhin
so viel begriffen hast. Und jetzt werde ich dir einige Dinge sagen, die ich
schon lange loswerden wollte, und du wirst zuhören.“
„Ich höre dir zu“, versprach Alexander. „Aber nimm das
Messer weg.“
„Nein. Ich will sicher sein, dass du auch wirklich zuhörst.“
„Rede!“
„Fangen wir an mit Amyntas“, sagte Hephaistion. „Nicht mit
dem Sohn des Arrhabaios, sondern mit deinem Cousin, dem Mann deiner Schwester,
dem Vater deiner kleinen Nichte. Du hast ihn hinrichten lassen, obwohl er
unschuldig war.“
Alexander wollte etwas erwidern, doch Hephaistion verstärkte
wieder den Druck seines Messers. „Still! Ich rede!“
Sofort wurde Alexander wieder ruhig.
„Genau genommen fing es schon mit Arrhabaios und Heromenes
an. Du hast Arrhabaios ein falsches Geständnis abgepresst, und dann hast du ihn
und seinen Bruder hinrichten lassen, obwohl ihre Schuld nicht zweifelsfrei
erwiesen war. Doch die Mistkerle hatten auf jeden Fall Dreck am Stecken, um sie
ist es nicht weiter schade. Was Attalos betrifft, er war dein Todfeind, du
hattest keine andere Wahl, als ihn zu vernichten. Seine Nichte und ihr Kind hat
deine Mutter auf dem Gewissen, es war nicht deine Schuld. Aber Amyntas? Wie oft
habe ich später bereut, dass ich damals nicht entschlossener für ihn
eingetreten bin. Ich habe mich damit abspeisen lassen, dass es angeblich keine
andere Lösung gab. Ich war ein Idiot. Amyntas war unschuldig, und du wusstest
es.“
„Ich wusste es nicht“, brachte Alexander hervor.
„Doch, du wusstest es. Denn im Gegensatz zu dir war Amyntas
eben nicht bereit, jeden Preis zu zahlen, um König zu werden. Das hat er in der
Heeresversammlung bewiesen, als er dich gegen diese böswilligen Verleumdungen
in Schutz nahm. Ihm hattest du es zu verdanken, dass du König werden konntest,
und vielleicht sogar, dass du noch lebst. Zum Dank dafür hast du ihn hinrichten
lassen. Und warum? Weil du Angst hattest …“
„Ich hatte keine Angst!“
„Angst! Nicht einmal vor Amyntas selbst – vor dem, was
andere in seinem Namen vielleicht hätten tun können. Deshalb hast du ihn
geopfert. Und du hattest sogar noch die Stirn, deiner Mutter die Schuld dafür
zu geben.“
Wieder wollte Alexander sprechen. Hephaistion schnitt ihm
das Wort ab. „Gibst du zu, dass er unschuldig war?“
„Ja“, presste Alexander heraus. „Er war unschuldig. Ich spürte
es.“
„Mit seinem Tod begann es. Von da an hast du dich verändert.
Früher wolltest du sein wie die Helden aus den alten Mythen. Stattdessen hast
du begonnen, dich in ein Ungeheuer zu verwandeln, wie die, gegen die die Helden
stets gekämpft haben. Wie einen Drachen, der in einer Erdspalte lauert und das
Land mit seinem Feueratem versengt. Amyntas war erst der Anfang. Dann die Stadt
der Geten. Theben. Bedenkenlos hast du Tausende von Menschen geopfert. Einige
wenige hast du verschont, wie diese Frau, der Gewalt angetan worden war, wie
den Gefangenen auf der Straße. Du kamst dir edel und großzügig dabei vor, doch
mit den ungezählten anderen Elenden kanntest du kein Erbarmen. Vor wenigen
Tagen noch hast du mir
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