Eine Krone für Alexander (German Edition)
gehabt“, sagte Philippos, nachdem
er die Wunde untersucht hatte. „Die Klinge ist von der Rippe ablenkt worden und
hat daher nichts Lebenswichtiges verletzt.“
Hephaistion saß auf einer Kline und grinste tapfer, während
der Arzt begann, ihm einen Verband anzulegen. Er war noch immer blass um die
Nase, hielt sich sonst aber gut. Alexander hatte die Blutung gestillt und die
Wunde notdürftig verbunden. So war es ihm gelungen, seinen Freund auf
Bukephalos zu hieven und zurück zu Parmenions Haus zu schaffen. Auch seine
eigene Kopfwunde hatte aufgehört zu bluten, sodass beider Blessuren sich bei
oberflächlicher Betrachtung in Grenzen zu halten schienen. Ein Reitunfall, bei
dem ein tief hängender Ast eine Rolle spielte, hatte Alexander Parmenion und seinem
Haushalt erklärt. Nur Admetos war misstrauisch geworden. Eigentlich hatte er
Alexander Vorwürfe machen wollen, doch als er seinen und Hephaistions wahren
Zustand bemerkte, hatte er den Mund wieder zugeklappt.
„Klinge?“, fragte er nun. „Muss ein komischer Baum gewesen
sein. Also doch kein Reitunfall, oder?“
„Doch“, sagte Alexander von seinem Platz auf der Fensterbank
her. „Zumindest ist es das, was wir allen sagen werden. Lass inzwischen die
Umgebung von Pella absuchen, vor allem die Straßen zum Meer und nach Osten.“
Admetos schien zu verstehen. „Wen suchen wir?“
„Neoptolemos, Sohn des Arrhabaios. Und seinen Bruder
Amyntas. Deine Leute sollen die beiden unbedingt lebendig zurückbringen. Tot
nur, wenn es sich nicht anders machen lässt.“
„Du hättest die beiden Kerle zusammen mit ihrer Sippschaft
hinrichten lassen sollen, als du die Gelegenheit dazu hattest.“
„Genau das hat Neoptolemos auch gesagt.“ Alexander trat auf
den Befehlshaber seiner Leibgarde zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Admetos, ich will nicht, dass hiervon etwas nach draußen dringt.“ Er warf auch
Philippos einen beschwörenden Blick zu. „Absolut nichts.“
Der Arzt nickte. „Ein Reitunfall. Kann vorkommen.“
Doch Admetos machte ein skeptisches Gesicht. „Willst du
nicht wenigstens Antipatros Bescheid geben?“
„Nein. Er darf auf keinen Fall etwas erfahren.“
Als Philippos und Admetos gegangen waren, fragte Hephaistion:
„Amyntas? Sein Bruder hat angedeutet, dass er nichts von dem Überfall wusste.“
„Darüber mache ich mir Gedanken, wenn ich die beiden habe.“
Am nächsten Tag fühlte sich Alexander, als sei eine in Panik
geratene Rinderherde über ihn hinweggetrampelt. Doch er biss die Zähne zusammen,
ließ sich weiterhin nichts anmerken und kehrte nach Pella zurück, als sei
nichts geschehen. Nicht einmal Antipatros schöpfte Verdacht. Hephaistion, hieß
es, sei gegen einen tief hängenden Ast geritten, was ihm Kommentare einbrachte
wie „schön blöd“, „lausiger Reiter“ und „wohl zu viel gesoffen“. Kein Grund zur
Beunruhigung jedenfalls.
Von Neoptolemos und seinem Bruder fand sich keine Spur, und
im Grunde rechnete Alexander auch nicht damit, einen der beiden noch einmal zu
Gesicht zu bekommen. Wahrscheinlich befanden sie sich schon auf halbem Weg nach
Asien, zu den Persern, wo sie sich zu den anderen Abtrünnigen und Verrätern gesellen
konnten.
Noch am Tag zuvor hatte Alexander eine Nachricht an seinen
lynkestischen Namensvetter in Thrakien geschickt. Er beorderte ihn nach Pella
zurück, mit der Begründung, er solle einen wichtigen Posten in der Invasionsarmee
übernehmen. Antipatros war überrascht, zugleich aber erfreut. Das Amt eines
Strategen von Thrakien war wichtig und prestigeträchtig, eine Position in der
Armee, die sich in Asien mit Ruhm bedecken würde, bot jedoch womöglich noch
bessere Aussichten.
Alexander stürzte sich in Arbeit, das war seine einzige Möglichkeit,
die innere Balance zu wahren. Immer wenn er zu viel nachdachte, fühlte er eine
alles überwältigende Wut in sich aufsteigen, Wut auf Neoptolemos, auf dessen
Bruder und auf all die anderen Verräter, die nur darauf lauerten, ihm in den
Rücken zu fallen. Doch die Wut war immer noch besser als das, was ihn
heimsuchte, wenn er nachts in seinem Bett lag und keinen Schlaf fand: das
lähmende Gefühl, auf allen Seiten von heimtückischen Mördern umgeben zu sein.
Einige Tage später bat ihn Philinna um ein Gespräch. Er
hatte keine Vorstellung, was Arrhidaios’ Mutter von ihm wollen konnte, und in
seiner augenblicklichen Selbstbezogenheit interessierte es ihn auch nicht. Trotzdem
ging er zu ihr, wenn auch nur, weil er wusste,
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