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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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gesagt, es tue dir leid. War das gelogen?“
    „Nein, ich meinte es ernst.“
    „Warum willst du dann jetzt wieder ein Blutbad anrichten?“
    „Weil ich wütend bin“, gab Alexander zu.
    „Aus Wut also. Auf all die Widersacher, die es wagen, sich
dir in den Weg zu stellen. Was noch?“
    Keine Antwort.
    Wieder der Druck des Messers. „Was noch?“
    „Aus Stolz“, stieß Alexander hervor. „Alle glauben, mich wegen
meines Alters nicht für voll nehmen zu müssen. Nicht so wie meinen Vater.“
    „Was noch?“
    „Ehrgeiz. Ich wollte endlich freie Hand für den Feldzug in
Asien haben.“
    „Und was noch?“
    Hephaistion, der immer noch rittlings auf Alexanders Oberkörper
saß, beugte sich zu ihm herab, bis sein Gesicht nur einen Fingerbreit von dem
Alexanders entfernt war.
    „Angst!“ Jetzt war es heraus. „Angst, dass mir das Gleiche zustößt
wie meinem Vater – hinterrücks ermordet zu werden. Dass jederzeit irgendwo ein
heimtückischer Mörder auf mich lauern könnte.“ Alexander schluchzte auf. „Ich
habe Angst! Ich bin ein Feigling!“
    Plötzlich war das Messer fort und auch das Gewicht auf
seiner Brust verschwand. Alexander setzte sich auf und verbarg das Gesicht in
den Händen. Feigheit. Das war es, was er sich selbst niemals verzeihen konnte.
Angst war etwas, was er bis dahin nicht gekannt hatte. Was er nicht verstand.
Er hatte mitangesehen, wie sein Vater ermordet worden war, und seitdem war ihm
bewusst, dass die gleiche Bedrohung über ihm schwebte wie ein Damoklesschwert.
Jederzeit. Tag und Nacht. Das war es, was ihn in all den Nächten wach hielt.
Nicht so sehr die Furcht vor dem Tod an sich. Sondern die Angst, ohne Sinn zu
sterben, hinterrücks abgestochen wie ein Stück Schlachtvieh.
    „Du bist kein Feigling“, hörte er Hephaistion sagen. „Zorn
und Hochmut und sogar Angst – selbst mythische Helden wie Achilleus oder
Herakles kannten solche Gefühle. Doch sie kämpften gegen sie an, ihr Leben
lang, und letztlich haben sie den Kampf gewonnen. Deswegen nennt man sie
Helden. Du dagegen hast zugelassen, dass Zorn, Hochmut und Angst dich
überwältigen. Diese drei und die Gier nach Macht – im Kampf um die Macht kennst
du keine Rücksicht, kein Erbarmen, nicht anders als deine Eltern. Du bist wie
sie geworden.“
    Alexander sah auf. Hephaistion hockte auf seinen Fersen, ein
paar Schritte von ihm entfernt, den Kopf gesenkt. Das Messer lag vergessen neben
ihm auf dem Boden. Der Verband um seine Brust hatte sich rot verfärbt, die
Wunde war durch die Anstrengung wieder aufgebrochen.
    „Ich wollte nie wie meine Eltern werden“, flüsterte
Alexander.
    „Trotzdem ist es so gekommen. Du bist so skrupellos und
berechnend wie Philipp, so grausam und unberechenbar wie Olympias. Du bist
nicht besser als deine Mutter, und doch kannst du ihr nicht vergeben.“
    Es stimmt, erkannte Alexander. Je ähnlicher ich
ihr wurde, umso mehr hasste ich sie. Seine Mutter hatte Schreckliches
getan, um ihm, ihrem Sohn, ihrer einzigen Hoffnung, die Thronfolge zu sichern.
Kleopatra und Europa. Nikesipolis. Arrhidaios. Doch er selbst, das erkannte er
nun, war in nichts besser als sie. Mehr noch: Im Gegensatz zu ihr hatte er
Tausende geopfert, um seine hochfliegenden Pläne verwirklichen zu können. Sein
Blick fiel auf den Ring an seiner Hand. Mehr denn je erinnerte das Rot des
Steins ihn an Blut. „Ich kann verstehen, dass du mich hasst“, sagte er leise.
    „Ich hasse dich nicht.“ Hephaistion blickte auf und sah Alexander
in die Augen. „Ich werde dich niemals hassen, egal, was du tust. Was auch
kommt, was immer geschieht: Ich werde an deiner Seite sein.“ Er sprach ohne
Nachdruck, sagte einfach, wie es war.
    Alexander zog den Ring von seinem Finger und betrachtete das
in den Stein geschnittene Profil des Herakles, des Begründers seines Hauses.
Der alte Mythos fiel ihm ein, der ihn schon als Kind mit Schrecken erfüllt
hatte: wie Herakles in Wahnsinn verfallen war und seine eigenen Kinder getötet
hatte. Vielleicht, dachte Alexander, ergab es einen Sinn, dass ausgerechnet das
Bild eines so heimgesuchten Mannes auf dem Ring eingraviert war, der ein Symbol
für das Königtum war. So viele Könige, so viele, die es sein wollten, um jeden
Preis – im Kampf um die Macht hatten sie unzählige Leben geopfert, von Feinden
wie Freunden. Zuletzt oft genug ihr eigenes.
    Er legte den Ring vor sich auf den Boden, zwischen Mist und
Stroh. „Dann lass uns zusammen fortgehen.“
    Überrascht starrte Hephaistion auf den

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