Eine Krone für Alexander (German Edition)
nimm meine Entschuldigung an!“
Hephaistion sah auf die ausgestreckte Hand und dann in Alexanders
Gesicht. „Also gut.“ Er wischte sich die Hand an seinem Chiton ab und griff zu.
„Du verzeihst mir?“
„Natürlich“, sagte Hephaistion mit einem Grinsen. „Das tut
man doch unter Freunden, wenn sich einer entschuldigt hat.“
Erleichtert atmete Alexander auf und lächelte zurück. „Dann
hast du nichts dagegen, wenn ich noch ein bisschen hierbleibe?“
„Nein.“ Hephaistion Grinsen vertiefte sich. „Aber bei all
dem Ärger, den das bringt, ist es wohl besser, wenn du mir nicht mehr bei der
Arbeit hilfst.“
20
Er nahm allen Mut zusammen und klopfte an die Tür. Eine
uralte, verschrumpelte Kammerfrau machte ihm auf. „Ich möchte mit meiner Großmutter
sprechen“, erklärte er mit fester Stimme.
Die alte Frau starrte ihn entgeistert an, als habe er sie
eingeladen, bei den Gelagen seines Vaters als Tänzerin aufzutreten. Fast
rechnete er damit, dass sie ihm die Tür vor der Nase zuknallte. Doch dann sagte
sie nur: „Warte.“
Eurydika hatte selten Interesse für ihre Enkel gezeigt. Außerdem
waren da noch die Gerüchte über ihre dubiose Vergangenheit – obwohl Alexander
nie herausbekommen hatte, was man ihr eigentlich zur Last legte. Doch seine
Großmutter war wahrscheinlich die einzige Person, die ihm Antworten auf seine
Fragen geben konnte. Also hatte er allen Mut zusammengenommen und war mit Stift
und Schreibtafel bewaffnet zu ihren Gemächern gegangen, wo er nun vor der Tür
stand und wartete.
Die Kammerfrau kehrte zurück. „Du kannst hereinkommen.“
Seine Großmutter saß auf einem repräsentativen Sessel, dessen
Beine und Lehnen mit vergoldeten Schnitzereien geschmückt waren. Die farbenfrohe
Malerei auf der Rückenlehne wurde fast vollständig von Eurydikas ausladender
Gestalt verdeckt. Ihre Füße ruhten auf einer niedrigen Fußbank; sie thronte auf
ihrem Lehnstuhl wie der Großkönig in seinem Thronsaal in Persepolis. Neben ihr
stand ein niedriges Tischchen mit einer bauchigen Weinkanne aus Silber und
einer flachen, zweihenkligen Trinkschale.
Eurydika musste inzwischen über sechzig sein. Sie war immer
eine imposante Frau gewesen, wenn auch inzwischen etwas füllig. Ihre Haare
waren grau geworden, und obwohl ihr Gesicht ziemlich in die Breite gegangen
war, konnte man erkennen, dass sie einst sehr gut aussehend gewesen sein
musste.
Die Kammerfrau brachte einen Stuhl für Alexander, und er
durfte sich setzen. Noch immer fühlte er sich unbehaglich und hielt sich
krampfhaft an seiner Schreibtafel fest, während Eurydika ihre Weinschale hob,
einen Schluck nahm und ihn dabei über den Rand hinweg musterte. Ruppig fragte
sie: „Was möchtest du?“
Er räusperte sich. „Etwas über meine Vorfahren erfahren.“
„Hast du dazu nicht deine Lehrer und deine Bücher?“
„In den Büchern steht nicht viel. Die Griechen haben sich
nicht groß für die Geschichte von uns Makedonen interessiert und deshalb nur
wenig darüber geschrieben. Und die Lehrer wissen auch nicht mehr.“
Eurydika nippte wieder an ihrer Schale. „Warum willst du das
alles überhaupt wissen?“
Umständlich erklärte er: „Für später, wenn ich einmal König
bin. Dann ist es für mich wichtig, die Geschichte meiner Vorfahren zu kennen.“
„Soso, wenn du einmal König bist.“ Sie nahm noch einen
Schluck Wein und starrte ihn mit zusammengezogenen Brauen an, und er begann,
nervös mit seiner Schreibtafel zu spielen. „Was weißt du denn schon alles?“
„Dass unsere Familie von Karanos abstammt, dem Sohn des
Herakles.“
„Wie kommst du darauf, dass Karanos ein Sohn des Herakles
war?“
„Kleitos hat das gesagt.“
„Kleitos? Etwa Hellanikas großmäuliger Bruder?“
Er nickte.
„Kleitos ist ein Idiot! Karanos war nicht Herakles’ Sohn, sondern
nur ein entfernter Nachfahre von ihm.“ Eurydika goss sich aus dem Krug nach.
„Ich nehme an, du darfst noch nichts trinken?“ Er schüttelte den Kopf. „Richtig
so. Wein ist nichts für Kinder. Was weißt du sonst noch?“
„Über König Alexander den Griechenfreund steht ein bisschen
in den Büchern, die ich gelesen habe. Auch über seinen Sohn Perdikkas und über
Archelaos, der den Palast gebaut hat.“
„Alexander und Perdikkas lebten vor meiner Zeit, und als Archelaos
ermordet wurde, war ich noch ein Mädchen. Lesen und Schreiben lernte ich erst,
als meine Söhne fast erwachsen waren, aber schon als Kind habe ich mehr
mitbekommen, als die
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