Eine Krone für Alexander (German Edition)
Leute dachten.“ Sie seufzte. „Na schön, ich sage dir, was
ich weiß.“
Alexander klappte seine Schreibtafel auf, während Eurydika
sich wieder einen großen Schluck Wein genehmigte.
„Archelaos war ein Sohn von König Perdikkas. Perdikkas
führte lange Krieg gegen Arrhabaios, den König von Lynkestis, meinen Großvater.
Dann schlossen die beiden endlich Frieden, und zu Besiegelung des Friedensvertrages
heiratete Perdikkas Arrhabaios’ Tochter Kleopatra. Als sie einen Sohn bekam,
gab er ihm den Namen Karanos, nach dem Gründer seines Hauses. Das tat er, um zu
zeigen, dass er ihn von nun an als seinen Erben betrachtete.“
„Und Archelaos?“
„Archelaos war zwar älter als sein Halbbruder und schon
erwachsen, aber seine Mutter war nur eine Sklavin gewesen. Deshalb besaß er
kein Anrecht auf den Thron. Doch als Perdikkas starb, war Karanos erst sieben
Jahre alt. Deshalb sollte sein Onkel Alketas, einer von Perdikkas’ jüngeren
Brüdern, Regent für ihn sein.“ Eurydika gab ein meckerndes Lachen von sich. „Du
kannst dir sicher denken, wie es weitergeht?“
„Irgendwie hat Archelaos es doch noch geschafft, König zu
werden.“
„Allerdings. Er ließ Alketas und seinen Sohn umbringen und
zwang Kleopatra, ihn zu heiraten.“
„Seine eigene Stiefmutter?“
„Die Mutter seines Halbbruders! Geschmacklos, nicht?“,
erwiderte Eurydika genüsslich. „Nicht lange danach ertrank der kleine Karanos
in einem Tümpel. Angeblich war er hineingefallen, als er hinter einer Gans
herlief. Natürlich glaubte das kein Mensch, und deshalb gab es wieder Krieg mit
Lynkestis. Archelaos verbündete sich mit dem König von Elimeia und gab ihm
seine älteste Tochter zur Frau. Phila, Philipps erste Frau, war eine Enkelin
von ihr.“
Vor einiger Zeit war Phila an einer Krankheit gestorben. Sie
und Eurydika hatten sich immer gut verstanden, sie stammten beide aus den
Bergen. Eurydika ließ ihre Schale sinken und sagte nachdenklich: „Wenn ihr Sohn
noch leben würde, wäre er jetzt Philipps Erbe, nicht du.“
Überrascht sah Alexander auf. „Phila hatte einen Sohn?“
„Der Junge starb, kurz nachdem dein Vater deine Mutter
geheiratet hatte. Danach hatte Phila nur noch Fehlgeburten. Natürlich gab es
deswegen Gerüchte.“
Eurydikas Gesichtsausdruck war unergründlich. Nervös sah
Alexander auf seine Schreibtafel. „Wie geht es weiter mit Archelaos?“
„Archelaos war ein Scheusal – niemand wunderte sich, als er
schließlich ermordet wurde! Auf einem Jagdausflug in den Hinterhalt gelockt.
Zwei der Verschwörer waren Geliebte von ihm, die er irgendwie beleidigt hatte.
Den dritten hatte er, soweit ich weiß, verprügeln lassen, weil er sich über
Euripides’ Mundgeruch beschwert hatte. Du weißt, welchen Euripides ich meine?“
„Ja, den Tragödiendichter.“
„Pass auf, jetzt wird es unübersichtlich!“ Eurydika hatte
inzwischen wieder ihre Schale geleert und goss noch einmal nach. „Archelaos
hatte von Kleopatra einen Sohn namens Orestes, der sein Nachfolger wurde. Weil
er aber noch ein Kind war, regierte sein Onkel A ё ropos,
Kleopatras Bruder, für ihn als Regent. Nach drei Jahren starb Orestes, und A ё ropos wurde selbst König.“
Alexander war schockiert. „Aber er war doch gar kein Argeade!“
„Das Königshaus von Lynkestis hat nicht weniger Anspruch auf
die Herrschaft über Makedonien als die Argeaden!“, behauptete Eurydika.
„Eigentlich sogar mehr. Denn meine Familie stammt von A ё ropos
ab, einem Bruder von König Perdikkas. Nicht von Archelaos’ Vater, sondern von
dem Perdikkas, der vor dreihundert Jahren regierte. A ё ropos
war der ältere, deswegen hätte die Königswürde von Rechts wegen ihm
zugestanden. Doch Perdikkas betrog ihn, und so wurde er stattdessen König von
Lynkestis.“ Eurydika wackelte belehrend mit dem Zeigefinger. „Meine Familie ist
mindestens so alt und vornehm wie die deines Großvaters, und wenn jemand
behauptet, ich sei illyrischer Herkunft, dann ist das eine Lüge! Wo war ich?“
„Bei A ё ropos. Dem Schwager von
König Archelaos.“
„Ach ja. A ё ropos war also drei
Jahre lang König, dann wurde er krank und starb, und sein Sohn Pausanias trat
seine Nachfolge an. Hast du das so weit?“
Alexander, der sich fleißig Notizen machte, nickte.
„Doch da war noch Amyntas, ein Sohn des Archelaos von seiner
ersten Frau. Später nannte man ihn immer den ‚kleinen‘ Amyntas, um ihn von
deinem Großvater zu unterscheiden, der ja auch Amyntas hieß. Der
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