Eine Krone für Alexander (German Edition)
stellte
Memnon klar. „Philipp war in seiner Jugend als Geisel in Theben und lernte
dort, dass gut gedrillte Fußtruppen für die moderne Kriegführung von
entscheidender Bedeutung sind. Deshalb hat er dem makedonischen Fußvolk eine
einheitliche Ausrüstung und Ausbildung verpasst. Und nun seht euch einmal die
Phalangiten dort drüben auf dem Feld an!“
Sie wandten sich wieder den exerzierenden Soldaten zu.
„Ihre Lanzen sind erheblich länger als die herkömmlicher
Hopliten. So eine Sarissa ist ungefähr zwölf Ellen lang. Dank ihr haben die
makedonischen Phalangiten eine viel größere Reichweite als alle anderen. Jeder
Angreifer muss erst einmal durch einen Wald von Sarissen, ehe er auch nur in
ihre Nähe kommt.“
Memnons Ausführungen waren instruktiv und überzeugend.
Balakros ließ seine Schüler von nun an öfter seinen Vorträgen lauschen, denn er
fand, dass sie viel von ihm lernen konnten. Leonidas, der sich als
militärischen Experten betrachtete, kam ebenfalls gern mit, um mit Memnon zu
fachsimpeln. Natürlich vertrat er den Standpunkt, die spartanische Phalanx sei
die beste der Welt.
Memnon widersprach. „Früher waren die Spartaner allen anderen
Hopliten überlegen, aber diese Zeiten sind vorbei. Die Thebaner haben die
Phalanx-Taktik weiterentwickelt, ihre Phalanx ist flexibler als die der
Spartaner, und deshalb konnte Epameinondas sie vor fünfundzwanzig Jahren bei
Leuktra schlagen.“
Leonidas wedelte abwehrend mit der Hand. „Das war nur der
Überraschungseffekt. Inzwischen ist die Zeit der thebanischen Vorherrschaft
längst Geschichte. Dauerhafter Erfolg beruht eben nicht auf technischen Tricks,
sondern auf Disziplin und Opferbereitschaft.“
„Mit alten Tugenden allein kann man keine Kriege mehr
gewinnen“, sagte Memnon. „Heute kommt es auf moderne Technik, intensives Training
und professionelle Führung an. König Philipp hat das erkannt und die
makedonische Armee von Grund auf reformiert. Eines Tages wird sie die beste in
ganz Griechenland sein.“
19
Es war nicht schwer für Alexander herauszubekommen, wann
Amyntor Pferde an den Hof lieferte. Dann setzte er sich immer vom Unterricht ab
und lief zu den Ställen, um sich mit Hephaistion zu treffen. Bald kam es ihm so
vor, als ob sie beide schon ihr ganzes Leben lang Freunde gewesen waren.
Inzwischen war Alexander alt genug, um sich die Frage zu stellen, ob die
Menschen in ihm nur den Sohn des Königs sahen – oder ob sie ihn auch als Mensch
schätzten. Nicht, dass Proteas oder Attalos oder auch Langaros Alexander jemals
als etwas Besonderes behandelt hatten; aber das waren Kinderfreundschaften.
Hephaistion dagegen wusste nicht, wer er war, und Alexander genoss es, mit
jemandem zusammen zu sein, der ihn definitiv nur um seiner selbst willen mochte.
Umso mehr belastete es ihn, ausgerechnet gegenüber dem einen Menschen, bei dem
er ganz er selbst sein durfte, seinerseits nicht aufrichtig zu sein. Doch je
länger der Zustand andauerte, umso schwieriger wurde es, Hephaistion die
Wahrheit zu sagen.
Der Zufall wollte es, dass Alexander gerade über dieses Problem
nachdachte, als es ihn mit voller Wucht einholte. Er half Hephaistion wieder
einmal dabei, die Pferde zu versorgen, als eine Stimme rief: „Alexander!“
Er fuhr herum. Philoxenos, der Oberstallmeister, hatte sich
im Hofeingang aufgebaut, mit rotem Gesicht, die Hände in die Hüften gestemmt.
Es war das erste Mal, dass jemand Alexander zusammen mit Hephaistion sah, er
war in dieser Hinsicht immer vorsichtig gewesen. Das Letzte, was er wollte,
war, dass jemand Hephaistion darüber aufklärte, wer sein neuer Freund in
Wirklichkeit war. Instinktiv wusste Alexander, dass er das unbedingt selbst
erledigen musste, sonst würde es mit der Freundschaft sofort vorbei sein.
„Das ist keine Arbeit für den Sohn des Königs!“, schimpfte
Philoxenos, und Alexander hatte das Gefühl, dass sich der Boden unter ihm
öffnete und er in ein tiefes Loch fiel.
Normalerweise war der Oberstallmeister durch nichts aus der
Ruhe zu bringen, doch diesmal wirkte er nervös. Er wandte sich um zu einem großen,
gut aussehenden Mann, der hinter ihm den Hof betrat. Der Unbekannte hatte
dunkle Haare und einem kurz geschnittenen Bart. „Amyntor, ein starkes Stück,
was sich dein Sohn da wieder mal geleistet hat!“
Im Gegensatz zu dem Stallmeister blieb der andere Mann gelassen.
Er bückte sich unter der Absperrung durch und kam zu den beiden Jungen herüber.
„Nimm Prinz Alexander den Striegel ab,
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