Eine Krone für Alexander (German Edition)
gesagt, was er
wusste“, erklärte Alexander, als er Bukephalos den Hals tätschelte. Das Pferd
schnaubte zufrieden und stupste ihn an der Schulter. „Aber ich kann mir den
Rest zusammenreimen. Hermeias’ Machtbereich liegt nicht weit vom Hellespont.“
„Und der König ist immer noch in Thrakien“, erwiderte Hephaistion.
„Meinst du, er plant einen Vorstoß nach Asien?“
„Nicht jetzt. Ein so großes Unternehmen würde mehr Vorbereitungszeit
erfordern. Sehr viel mehr. Aber irgendwann – wer weiß?“ Alexander zuckte die
Achseln. „Dabei hat mein Vater eben erst einen Vertrag mit dem Großkönig
geschlossen, in dem sie einander immerwährende Freundschaft geschworen haben.
Und nun stellt sich heraus, dass er zugleich ein Geheimabkommen mit diesem Hermeias
hatte. Etwas muss durchgesickert sein, deshalb konnte Mentor ihn bei Artaxerxes
denunzieren.“
„Vielleicht hatte Aristoteles selbst etwas mit dem Abkommen
zu tun“, überlegte Hephaistion. „Dann fühlt er sich jetzt vielleicht
mitschuldig am Schicksal seines Freundes.“
„Nein, mein Vater allein trägt die Schuld daran. In Susa werden
sie Hermeias foltern, bevor sie ihn hinrichten. Wenn er auspackt, kann Philipp
seinen Vertrag mit dem Großkönig vergessen.“
5
Als sie ihn hereinkommen sah, schickte sie alle anderen
hinaus. Drinnen herrschte eine fast unerträgliche Hitze, von den vielen
Kohlenbecken, die überall im Raum verteilt waren. Die meisten Läden waren
geschlossen, sodass nur wenig von dem ohnehin trüben Tageslicht ins Innere
fiel.
Als der Winter gekommen war, hatte Eurydika sich ein hartnäckiges
Fieber zugezogen, und obwohl sie bis dahin nie großes Interesse für ihre
Enkelkinder bezeugt hatte, wollte sie alle vor ihrem Tod unbedingt noch einmal
sehen. So hatte man auch Alexander aus Mieza kommen lassen und in ihr
Sterbezimmer geschickt.
Er musste sich zu ihr ans Bett setzen. Sie hatte abgenommen,
seit er sie zuletzt gesehen hatte; die Hängebacken und das früher so imposante
Doppelkinn waren so gut wie verschwunden. Alles in allem, dachte er, sah sie
gar nicht einmal schlecht aus dafür, dass sie im Sterben lag. Allenfalls wirkte
sie ein wenig übernächtigt, und ein dünner Schweißfilm glänzte auf ihrer Stirn.
„Du siehst ihm sehr ähnlich.“ Nicht einmal ihre Stimme war
schwach, wie man es bei einer Sterbenden erwartete, sondern laut und durchdringend,
wie sie es immer gewesen war.
„Wen meinst du?“
„Alexander, meinen ältesten Sohn. Du hast blonde Haare und
helle Augen, genau wie er.“
„Ich dachte, die habe ich von meiner Mutter.“
„Schon möglich.“ Sie musterte ihn genauer. „Aber du siehst
Alexander auch sonst sehr ähnlich, du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.
Philipp kommt mehr nach mir, wie Amyntas und Kleopatra. Aber du und Kynnana,
ihr habt euer Aussehen von eurem Großvater.“
Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, und so
entstand ein längeres Schweigen. Nach einiger Zeit räusperte sich Eurydika.
„Junge, die Quacksalber sagen, dass ich sterbe. Wenn du also noch etwas von mir
wissen willst, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt.“
Alexander zögerte. Da gab es in der Tat einiges, was er sie
gerne gefragt hätte, nur war er nicht sicher, ob er ehrliche Antworten bekommen
würde. Aber sie hatte natürlich recht, dies war die letzte Gelegenheit. Also
atmete er tief durch und fragte: „Ist es wahr, dass du ihn umgebracht hast?“
Sie begriff sofort, was er meinte, das konnte er ihr
ansehen. „Nein. Das habe ich nicht getan.“
Wieder entstand eine Pause.
„Er war mein ältester Sohn. All die Jahre kannte ich nur ein
Ziel: ihn und meine anderen Kinder zu schützen. Dein Großvater hatte ja noch
eine Frau, Gygaia, und sie hatte ebenfalls drei Söhne. Ich musste um jeden
Preis verhindern, dass einer von ihnen Amyntas’ Nachfolge antrat, denn das
hätte wahrscheinlich den Tod meiner eigenen Söhne bedeutet. Warum also hätte
ich einen von ihnen umbringen sollen? Ich war heilfroh, als Alexander endlich
auf dem Thron saß.“
„Die Leute sagen, du hast ihn ermorden lassen, um mit Ptolemaios
an seiner Stelle herrschen zu können.“
Sie kicherte. „Ja, und ich habe auch Amyntas und Euryno ё umgebracht; und außerdem Perdikkas und seine
viertausend Krieger. Die alten Geschichten – glaubst du sie etwa?“
„Wenn nichts daran ist, warum hast du Ptolemaios dann geheiratet?“
„Weil ich keine Wahl hatte! Für Alexander, meinen Ältesten,
konnte ich nichts mehr
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