Eine Krone für Alexander (German Edition)
tun, er war tot, aber ich hatte noch zwei Söhne. An sie
musste ich denken.“ Sie richtete sich leicht in ihrem Bett auf und stützte sich
auf den Ellenbogen. „Perdikkas war zu jung, um selbst zu regieren. Er brauchte
jemanden, der es für ihn tat. Jemanden, der stark genug war, die Aasgeier in
Schach zu halten. Damit Perdikkas überlebte, bis er volljährig war. Schließlich
waren da noch Gygaias Söhne, besonders Archelaos, der älteste. Hätte er die
Macht an sich gerissen, hätte das den Tod von Perdikkas und Philipp bedeutet.
Ptolemaios war das kleinere Übel, und das war der Grund, warum ich eingewilligt
habe, ihn zu heiraten.“ Sie ließ sich wieder zurücksinken. Die lange Rede hatte
sie sichtlich angestrengt. „Ohne mich wäre heute Archelaos König.“
Alexander sah ihr forschend ins Gesicht. Er war sich nicht
sicher, ob er ihr glauben sollte. Was sie gesagt hatte, klang durchaus
einleuchtend, aber es klang eben auch zu schön, um wahr zu sein. Angeblich
hatte sie nur an ihre Kinder gedacht, sie um jeden Preis schützen wollen – wenn
sie dachte, dass er auf solchen sentimentalen Unsinn hereinfiel, unterschätzte
sie ihn.
Als er weiter schwieg, begann Eurydika zu kichern. „Du bist
ein verdammt misstrauischer Bengel! Weißt du was? Mir ist egal, ob du mir glaubst!
So wie mir auch egal ist, was Philipp von mir denkt, der selbstgerechte
Heuchler. Seit zwanzig Jahren redet er nicht mehr mit mir. Dabei hat er es nur
mir zu verdanken, dass er König ist – und überhaupt noch am Leben! Du bist
genau wie er.“
„Ich bin nicht wie mein Vater!“, sagte Alexander und dachte
an Hermeias. An seinen Cousin Amyntas. An Philipps Halbbrüder.
„Glaubst du?“ Eurydika grinste überlegen. „Erinnerst du
dich, wie du vor ein paar Jahren zu mir gekommen bist und mich über König
Archelaos und seine Nachfolger ausgefragt hast? Du warst mir gleich
unsympathisch, als du mit deiner Schreibtafel aufgetaucht bist, ein
aufdringlicher kleiner Schnüffler, wichtigtuerisch und altklug. Wenn ich einmal König bin, muss ich die Geschichte meiner
Vorfahren kennen!“ Sie gab ein bellendes Gelächter von sich, kurz und
verächtlich. „Ihr sei alle gleich! Euch geht es nur um die Macht, und dafür
geht ihr über Leichen.“
„Das ist nicht wahr!“, rief Alexander aufgebracht. „Ja, ich
will König werden – weil es mein Recht ist! Und ich werde es schaffen, weil es
meine Bestimmung ist. Nicht, weil ich über Leichen gehe.“
„Du denkst, du hast ein Recht auf die Königswürde? Dann
erinnere dich an das, was ich dir erzählt habe. Denke an König Archelaos, den
Kindermörder, und an Gygaias ältesten Sohn: Was haben die beiden außer ihrem
Namen noch miteinander gemeinsam? An deinem betretenen Gesichtsausdruck sehe
ich, dass du mich verstehst.“
Alexander hatte in der Tat sofort begriffen, worauf sie hinauswollte:
Beide waren der älteste Sohn eines Königs gewesen, beide waren von ihren Vätern
zugunsten eines jüngeren Halbbruders enterbt worden. „Mein Vater würde nie
versuchen, mich beiseitezuschieben! Er wird nicht zulassen, dass es nach seinem
Tod wieder zu Machtkämpfen kommt wie früher, denn damit würde er alles
gefährden, was er aufgebaut hat. Philipp weiß, dass nur einer sein Werk eines
Tages vollenden kann, und das bin ich.“
„Philipp!“ Eurydika schnaubte verächtlich. „Philipp ist
längst nicht so rational und vernunftgesteuert, wie alle immer denken.
Eindrucksvoll, mit welcher Unbeirrbarkeit er seine Ziele verfolgt, wie er seine
Gegner gegeneinander ausspielt und ein Hindernis nach dem anderen aus dem Weg
räumt! Aber ich kenne ihn, schließlich ist er mein Sohn. In Wirklichkeit ist er
unberechenbar. Er trinkt zu viel, und wenn ihn seine Triebe überwältigen, kennt
er keine Rücksicht, nicht auf sein sogenanntes Werk und nicht auf dich. Nein,
Wenn du die Königswürde willst, wenn du sie wirklich willst, dann musst
du sie dir nehmen. Auf deinen Vater kannst du dabei nicht zählen.“
Wieder beugte Eurydika sich vor, und diesmal griff sie nach
seinem Arm, krallte sich regelrecht daran fest.
„Aber auf deine Mutter, diese hysterischen Ziege, kannst du
dich erst recht nicht verlassen. Sie ist womöglich noch unberechenbarer als
dein Vater. Wenn sie dir irgendwelche seltsamen Geschichten erzählt, hör ihr
nicht zu!“
„Was für Geschichten?“, fragte er irritiert.
„Sie hat keine seltsamen Andeutungen gemacht?“
„Ich weiß nicht, was du meinst.“ Und dann fiel es ihm
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