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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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schleuderte seinen Spieß, aber in der Aufregung etwas
zu hoch. Nur Kleitos und vielleicht noch Antigenes waren nah genug dran für
einen guten Wurf, doch zwischen ihnen und dem Keiler befand sich Hephaistion.
Alle anderen waren zu weit entfernt.
    Alexander setzte den Fuß auf den von ihm erlegten Keiler und
riss seinen Spieß heraus. Doch er wusste, er würde zu spät kommen. Plötzlich
machte der Keiler im vollen Lauf einen Satz. Er schlug ein paar Haken nach
rechts und links, und dabei konnte Alexander erkennen, dass in seinem
Hinterteil ein Spieß steckte.
    „Hephaistion!“, schrie er und schleuderte seinen Spieß. Die
Waffe fuhr direkt neben seinem Freund in den Boden. Hephaistion riss sie heraus
und rammte sie dem Keiler in die Brust, alles in einer einzigen Bewegung. Das
Tier quiekte und fiel um. Sofort waren Antigenes und Atarrhias zur Stelle und
stießen ihre Spieße in seine Flanken, bis es sich nicht mehr regte.
    Niemand rührte sich. Alle starrten auf den toten Keiler, der
wie ein schwarzes Gebirge im Gras lag. Langsam kamen sie näher, bis sie im
Kreis um ihn herum standen. Atarrhias wischte sich mit einer blutbefleckten
Hand den Schweiß von der Stirn.
    „Gut, das Vieh ist tot. Hephaistion hat ihn einmal erwischt
und ihn zum Schluss erledigt. Aber von wem ist der Spieß im Hintern?“
    „Das ist meiner!“, bemerkte Proteas ungewohnt kleinlaut.
    Hektor ließ sich erschöpft auf den Boden fallen und begann,
vor Aufregung und Überreizung zu kichern. „Er hat ihn in den Hintern
getroffen!“
    Dann lachte auch Antigenes, und plötzlich brüllten alle vor
Lachen. Kleitos schlug dem verlegenen Proteas auf die Schulter. „Ja, in den
Hintern! Aber genau richtig. Ohne dich hätte er Hephaistion erwischt.“
    Mit vereinten Kräften hievten sie die beiden Keiler und die
Hirsche auf die mitgebrachten Tragegestelle, zwei Stangen, zwischen denen eine
Plane gespannt war, und schafften sie zum Lagerplatz, wo der Koch das
waidgerechte Aufbrechen und Zerlegen der Beute überwachte. Die meiste Arbeit
blieb an den Erwachsenen und den älteren Königsjungen hängen, denn die Neulinge
waren von den Erlebnissen der Jagd zu aufgewühlt, um groß von Nutzen zu sein.
    Später hatte Alexander nur verschwommene Erinnerungen daran,
wie sie es nach Hause geschafft hatten. Erst im Badehaus kam er wieder richtig
zu sich, wo sie sich Blut, Dreck und Schweiß abwuschen. Niemand sagte viel.
Dafür war die Stimmung beim Abendessen umso ausgelassener. Alle gaben mit ihren
Erlebnissen an, besonders die, denen das Erlegen eines Keilers gelungen war
oder die zumindest daran beteiligt gewesen waren. Die Auslegung war recht
großzügig. So wurde die Ehre, einen Keiler gestreckt zu haben, in Alexanders
Gruppe nicht nur ihm selbst und Hephaistion zuteil, sondern auch Proteas, ohne
den Letzterer keine Gelegenheit für den Todesstoß erhalten hätte.
    Proteas fand daher rasch zu seiner gewohnten Großspurigkeit
zurück. „Keiler sind für mich jetzt keine Gegner mehr. Ab sofort jage ich nur
noch Löwen und Auerochsen.“
    „Ich an deiner Stelle würde mich auf Auerochsen spezialisieren“,
meinte Harpalos mit völlig ernstem Gesicht.
    „Warum?“
    „Auerochsen haben ein massiveres Hinterteil als Löwen. Und
etwas anderes als den Hintern triffst du ja nicht!“

4
    Hatte das Dasein der Königsjungen in Mieza schon im Sommer
seine Härten gehabt, so wurde es in der kalten Jahreszeit noch deutlich
schlimmer. Trotz der rauen Witterung behielten sie ihr gewohntes
Trainingsprogramm bei. Im Sommer hatten sie in der glühenden Sonne geschwitzt,
nun zitterten sie in der Kälte, marschierten durch strömenden Regen und ließen
sich vom eisigen Wind von den Exerzierplätzen blasen. Wenigstens war nun zu bestimmten
Zeiten das Badehaus beheizt. Nur wenn das Wetter wirklich unerträglich war,
gewährte man ihnen Verschonung und intensivierte stattdessen den Unterricht bei
Aristoteles.
    Eines Tages fiel überraschend der Unterricht aus. Weder Aristoteles
noch Theophrastos oder Kallisthenes ließen sich blicken. Die Königsjungen
absolvierten am Vormittag das Training, das eigentlich für den Nachmittag
geplant gewesen war. An diesem Tag herrschte eisige Kälte, und gegen Mittag
fing es an zu schneien. So hatte Antigenes ein Einsehen und gab ihnen den Rest
des Tages frei. Während die anderen vor dem Essen ins Badehaus drängten, um
sich aufzuwärmen, suchte Alexander Antigenes auf.
    „Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als ob ich mich
beschweren

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