Eine Krone für Alexander (German Edition)
Barbar,
der keinen Sinn für heilige Dinge hat!“
„Heilige Dinge? Euch geht es doch nur darum, euch mit Wein
volllaufen zu lassen, bis ihr nicht mehr wisst, was ihr tut! Dann rennt ihr
halbnackt und schreiend durch den Wald!“
„Du hast es gerade nötig! Jeder weiß, wie es bei deinen Gelagen
zugeht! Du und deine sauberen Freunde, ihr sauft bis zum Umfallen, und dann
macht ihr euch über die Tänzerinnen und Flötenspielerinnen her oder über eure
Lustknaben. Bis hinunter nach Athen reden alle über deine Besäufnisse.“
„Ich warne dich: Mach mich nicht wütend! Ich habe deinem
Treiben bis heute ruhig zugesehen, aber ich kann auch anders! Ich werde nicht
dulden, dass du den Jungen in deine Exzesse hineinziehst. Wenn das noch einmal
vorkommt, dann nehme ich ihn dir weg, das schwöre ich dir, und ich werde dafür
sorgen, dass du ihn erst wieder zu Gesicht bekommst, wenn er alt genug ist, um
sich gegen deinen schlechten Einfluss zu behaupten. Habe ich mich klar
ausgedrückt?“
8
Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass mit Arrhidaios
etwas nicht stimmte. Äußerlich sah der Junge normal aus, doch er war langsam
und blieb nie lange bei der Sache, wenn Alexander mit ihm zu spielen versuchte.
Sein Verhalten wurde mit der Zeit immer eigenartiger. Wenn ihm etwas nicht
passte, konnte es vorkommen, dass er in lautes Geheul ausbrach, das allen durch
Mark und Bein ging. Dann kam Philinna gelaufen und schimpfte mit Alexander,
weil sie glaubte, er habe ihrem Sohn etwas getan. Das rief wiederum Olympias
auf den Plan, und dann gab ein Wort das andere.
Normalerweise zogen die Söhne des Königs bei ihren Müttern
aus, sobald sie sieben Jahre alt waren, denn das war das Alter, in dem ihre
Erziehung zum Mann beginnen sollte. Arrhidaios war inzwischen acht und wohnte
noch immer bei Philinna. Er war also schon etwas überfällig, und Alexander fiel
auf, dass Königin Eurydikas Blick immer öfter nachdenklich auf seinem Halbbruder
ruhte.
Es war ein warmer Sommertag, nicht lange nach Alexanders
siebtem Geburtstag, als der König überraschend im Palastgarten erschien. Er kam
in Begleitung dreier ehrwürdig aussehender Männer mit gepflegten Bärten und
weißen Binden um den Kopf. Arrhidaios wurde gerufen und verschwand mit den
Männern im Inneren des Palasts, während der König sich einen Stuhl bringen ließ
und es sich darauf im Schatten einer Säulenhalle bequem machte.
Gleich darauf erschien Königin Eurydika und ließ sich in
einiger Entfernung häuslich nieder. Obwohl sie seine Mutter war, sprach der
König niemals mit ihr. Eurydika thronte auf einem prunkvollen Lehnsessel, umschwärmt
von ihren Dienerinnen, die ihr einen Sonnenschirm über den Kopf hielten und ihr
mit Fächern kühle Luft zuwedelten. Es dauerte nicht lange, bis sich auch die
anderen Damen zeigten, Phila, Olympias und Audata, und in bequemer Hörweite
Position bezogen, umringt von ihrem jeweiligen Hofstaat. Alexander setzte sich
neben dem Stuhl seiner Mutter ins Gras.
Audata ergriff sofort die Gelegenheit, wieder einmal ihre
Tochter in den Vordergrund zu spielen. Kynna war zwei Jahre älter als Alexander
und hatte vor Kurzem ein Pony geschenkt bekommen, auf dem sie ihn in ihrer
übergroßen Gnade gelegentlich reiten ließ. Obwohl Kynna nur ein Mädchen war,
war Audata ungeheuer stolz auf sie und brachte ihr Reiten und Bogenschießen
bei, Dinge, die sonst nur Jungen lernten. Vielleicht war das bei ihrem Volk,
den Illyrern, so üblich. Die anderen Königinnen hielten Audatas Erziehungsstil
für skandalös und rümpften die Nasen. Reiten und Bogenschießen stellten keine
angemessene Beschäftigung für die Tochter eines Königs dar, auch wenn ihre
Mutter nur eine illyrische Barbarin war.
Kynna ritt also auf ihrem Pony im Kreis herum und schoss mit
einem kleinen Bogen Pfeile auf eine Holzscheibe ab. Sie traf immer ins
Schwarze, und Audata strahlte vor Stolz. Die übrigen Anwesenden sahen demonstrativ
in andere Richtungen, doch der König wirkte recht angetan von der Vorstellung
seiner Tochter. Er feuerte sie an und nannte sie „eine richtige kleine
Amazone“.
Nach einiger Zeit kamen die Ärzte zurück. Ihre Gesichter waren
ernst. Philinna folgte mit Arrhidaios an der Hand. Da sie nicht mit der Versammlung
im Garten gerechnet hatte, hatte sie sich keine Sitzgelegenheit mitbringen
lassen. Normalerweise hätte sie das schnellstens nachgeholt, um ihre Würde zu
wahren, doch man merkte ihr an, dass sie an diesem Tag andere Sorgen hatte.
Niemand achtete
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