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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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sie. Und als Lanika keinerlei Anstalten dazu machte: „Ich sagte, du
kannst gehen!“
    Schließlich gab Lanika nach. Sie beugte sich zu ihm herab
und streichelte seine Haare. „Hab keine Angst! Dir wird nichts geschehen!“ Doch
ihr Gesichtsausdruck war besorgt.
    „Geh endlich!“
    Lanika strich ihm über die Wange, dann richtete sie sich auf
und ging. Auf der Treppe sah sie noch einmal zu ihm zurück.
    Olympias ging vor ihm in die Hocke. „Sie hat recht, du
brauchst keine Angst zu haben!“ Sie strich über sein Haar und lächelte. „Eines
Tages wirst du König sein! Du hast eine große Bestimmung!“
    „Eine Bestimmung?“ Er überlegte, was sie meinen konnte. „So
wie Achilleus?“
    Sie lachte leise. „So ähnlich, aber du wirst größer sein als
er. Viel größer! Weißt du, was Thetis nach der Geburt mit ihm gemacht hat? Sie
tauchte ihn in das Wasser des Styx, des Flusses, der durch die Unterwelt
fließt. So wurde er unverwundbar.“
    „Aber er ist doch gestorben, auf dem Schlachtfeld vor
Troja!“
    „Weil ein von Apollon gelenkter Pfeil ihn in die Ferse traf!
Nur ein Gott konnte ihn töten, und das auch nur, weil Thetis ihren Sohn
irgendwo festhalten musste, als sie ihn in den Styx tauchte. Deshalb blieb die
Ferse als einziger Teil von ihm verwundbar.“
    Nun verstand er. „Kannst du mich auch unverwundbar machen?“
    Sie lachte wieder. „Nein, ich bin keine Göttin. Aber ich
kann etwas anderes für dich tun. Heute Nacht werde ich die Großen Götter
anrufen, damit sie dich unter ihren Schutz nehmen. Hab also keine Angst!“
    Sie richtete sich auf, nahm ihn an die Hand und führte ihn
zur Mitte des Raumes, wo in einem Bronzebecken ein Feuer brannte. Pyrrha nahm
ihm die Decke ab. Olympias trat hinter ihn und legte die Hände auf seine Schultern,
während Pyrrha ihm eine Schale an den Mund setzte.
    „Trink das!“
    Die Flüssigkeit war bitter und scharf und eiskalt, und er brauchte
einige Zeit, bis er sie heruntergebracht hatte. Gorgo tunkte die Fingerspitze
in ein Gefäß mit Ruß und malte Zeichen auf sein Gesicht. Dabei murmelte sie
Beschwörungen in einer Sprache, die er nicht kannte. Hinter ihr in der
Dunkelheit schimmerte etwas Weißes. Er sah genauer hin und bemerkte ein Lamm,
noch ganz klein, bestimmt eben erst geboren. Es blökte leise und ängstlich.
    Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in seinem Kopf aus.
Alles verschwamm vor seinen Augen und ging an den Seiten in Dunkelheit über,
während die Umrisse zu leuchten schienen. Der seltsame Gesang und das Blöken
des Lammes klangen plötzlich näher als zuvor. Olympias beugte sich zu ihm herab
und flüsterte in sein Ohr: „Gleich werden die Großen Götter bei uns sein!“
    Gorgo warf etwas in das Feuerbecken. Die Flamme loderte auf,
ein stechender Gestank verbreitete sich. Die Frauen begannen zu singen, und er
hörte das rhythmische Rasseln eines Instruments. Sie sangen in einer fremden,
uralt klingenden Sprache. Er verstand nichts, doch einige Wörter wiederholten
sich immer wieder.
    „Axiokersa! Axiokersos! Axieros!“
    Ihm wurde schwindelig. Das Leuchten der Umrisse wurde
stärker, kleine Funken flogen umher, doch wenn er ihnen mit den Augen zu folgen
versuchte, verloren sie sich in der Dunkelheit. Das Rasseln und der Gesang
schienen nun unmittelbar in seinem Kopf zu sein. Sogar das Knistern des Feuers
klang schmerzhaft laut, ebenso das hilflose Blöken des Lamms. Und immer wieder
die fremden Worte. Oder waren es die Namen von Göttern?
    „Axiokersa! Axiokersos! Axieros!“
    Plötzlich hielt Gorgo einen Gegenstand in der Hand, der in
ein Tuch gehüllt war. Vorsichtig wickelte sie ihn aus und stellte ihn auf den
Boden. Die Statuette erinnerte an ein kauerndes Kind, mit übergroßem Kopf,
gedunsenem Bauch und verkümmerten Gliedmaßen. Das Gesicht war grotesk verzerrt.
    Ein kalter Hauch berührte ihn, und er merkte, dass er fror.
Dann wieder schienen vom Feuer her heiße Ströme über ihn hinwegzufluten.
Plötzlich hörte er das Blöken unmittelbar über seinen Kopf. Er blickte nach
oben und sah, wie Pyrrha und Gorgo etwas Weißes über ihn hielten. Das Lamm
schrie in hellen Tönen. Ein Aufblitzen, und dann schoss heißes Blut auf ihn
herab und traf ihn mitten ins Gesicht.
    „Axiokersa! Axiokersos! Axieros!“
    Er begann zu zittern.

Der Palast des Archelaos
1
    Ungefähr fünfzig Jahre vor Alexanders Geburt hatte König Archelaos
in Pella einen Palast bauen lassen, der als der größte und prächtigste in ganz
Griechenland galt –

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