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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Quadratkilometer umfasste und in dem »God Save the Queen« die Nationalhymne eines Viertels der Weltbevölkerung war. Großbritannien war in fast allen messbaren Kategorien Weltspitze. Es war das reichste, kreativste, leistungsstärkste Land — in dem eben auch Gärtner zu Größe aufstiegen.
    Plötzlich hatten die meisten Menschen zum ersten Mal in der Geschichte die Qual der Wahl. Karl Marx, Wohnsitz London, stellte erstaunt und mit einem leisen Unterton hilfloser Bewunderung fest, dass man in Großbritannien fünfhundert verschiedene Typen von Hämmern kaufen konnte. Allenthalben boomte die Wirtschaft. Heutige Londoner leben umgeben von großartigen viktorianischen Bauwerken, während die Leute damals von Baulärm umgeben waren. Binnen zwölf Jahren wurden acht Eisenbahnhöfe eröffnet, und die Unruhe und das Chaos — die Gräben, die Tunnel, die aufgerissene Erde, der ständige Stau der Fuhrwerke und anderer Fahrzeuge, der Rauch, der Lärm, das Drunter und Drüber —, die mit dem Bau von Eisenbahnen, Brücken, Kanalisationsanlagen, Pump- und Kraftwerken, U-Bahn und dergleichen einhergingen, bedeuteten, dass das viktorianische London nicht nur die größte Stadt der Welt war, sondern auch die lauteste, stinkendste, schmutzigste, lebendigste, verkehrsreichste und am meisten umgewühlte.
    Die Volkszählung von 1851 ergab im Übrigen, dass im Königreich mittlerweile mehr Menschen in Städten lebten als auf dem Land (zum ersten Mal auf dem ganzen Erdenrund!), und diese ungeheuren Menschenmassen fielen überall ins Auge. Es gab Heerscharen von Arbeitern, von Reisenden, von Leuten, die zur Schule, ins Gefängnis oder ins Krankenhaus gingen. Wenn sie sich vergnügten, geschah das natürlich auch in Massen, und nirgendwo gingen sie mit solch überbordender Begeisterung hin wie zum Crystal Palace. Denn nicht nur das Gebäude war fantastisch, auch drinnen kam man aus dem Staunen nicht heraus. Verteilt auf vierzehntausend Ausstellungsobjekte wurden fast einhunderttausend Dinge gezeigt. Unter den Neuheiten waren ein Messer mit 1851(!) Klingen, Möbel, die aus entsprechend großen Kohleblöcken geschlagen worden waren (einzig und allein deshalb, weil man demonstrieren wollte, dass es möglich war), ein Bett, das zum Rettungsfloß umgebaut werden konnte, und eines, das seinen verblüfften Insassen selbsttätig in ein frisch eingelassenes Bad kippte; ferner Flugapparaturen aller Arten (außer funktionierenden), Instrumente für den Aderlass, der größte Spiegel der Welt, ein Riesenklumpen Guano aus Peru, die berühmten Diamanten mit Namen Hope beziehungsweise Koh-i-Noor*, das Modell einer Hängebrücke, die zwischen Großbritannien und Frankreich
    * Der Koh-i-Noor war zwei Jahre zuvor eine der Kronjuwelen geworden, und zwar nachdem er von der britischen Armee bei ihrer Eroberung des Punjab dem unrechtmäßigen Besitzer abgenommen (oder, je nach Standpunkt des Betrachters: erbeutet) worden war. Die meisten Leute waren allerdings von dem Juwel eher enttäuscht. Obwohl der Stein — mit fast zweihundert Karat — groß war, war er schlecht geschliffen, und es mangelte ihm an Brillanz. Nach der Weltausstellung wurde er beherzt auf funkelndere einhundertneun Karat heruntergestutzt und in die Königskrone eingesetzt.
    hätte gebaut werden können, sowie unendlich viele Maschinen, Textilien und alle möglichen anderen Manufakturwaren aus der ganzen Welt. The Times rechnete damals aus, dass es zweihundert Stunden dauern würde, sich alles anzusehen.
    Nicht jedes Ausstellungsstück war prickelnd. Neufundland widmete seine gesamte Standfläche der Geschichte und Herstellung von Lebertran und wurde zu einer Oase der Ruhe, sehr geschätzt von allen, die Erholung von den sich durchschiebenden Massen suchten. Der Stand der Vereinigten Staaten wäre beinahe gar nicht bestückt worden. Weil der Kongress in einem Anfall von Sparsamkeit keine Mittel herausgerückt hatte, musste das Ganze privat finanziert werden. Doch als die amerikanischen Produkte in London ankamen, stellte man fest, dass die Organisatoren nur so viel bezahlt hatten, dass die Waren bis zum Hafen, nicht aber weiter zum Hyde Park transportiert werden konnten. Allem Anschein nach hatte man auch kein Geld bereitgestellt, den Stand aufzubauen und für fünf Monate mit Personal zu beschicken. Zum Glück sprang der in London lebende US-amerikanische Unternehmer George Peabody ein und rettete die amerikanische Delegation aus der selbstverschuldeten Krise, indem er einen

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