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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Maßlosigkeit ansah, dass er aus dem Gebäude hinaustaumelte und sich im Gebüsch erbrach. Doch die meisten Menschen fanden es wunderbar, und fast alle benahmen sich auch gut. Während der gesamten Weltausstellung wurden gerade mal fünfundzwanzig Besucher kleiner Vergehen angeklagt — fünfzehn wegen Taschendiebstahls und zehn wegen Bagatelldiebstählen. Die geringe Kriminalität ist sogar noch erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass der Hyde Park damals berüchtigt für seine Gefährlichkeit war, besonders von Beginn der Dämmerung an, wenn das Risiko, überfallen zu werden, so groß war, dass die Leute Gruppen bildeten, bevor sie ihn durchquerten. Dank der Menschenmassen bei der Weltausstellung war er ein knappes halbes Jahr einer der sichersten Orte Londons.
    Die Ausstellung machte einen Gewinn von 186000 Pfund, so viel, dass man dreißig Morgen Land südlich des Hyde Park kaufen konnte, ein im Volksmund Albertopolis genanntes Gelände, wo die großen Museen und Institutionen gebaut wurden, die das Viertel heute noch dominieren: unter anderem die Royal Albert Hall, das Victoria and Albert Museum, das Naturgeschichtsmuseum, das Royal College of Art und das Royal College of Music.
    Paxtons mächtiger Kristallpalast verblieb bis zum Sommer 1852 im Hyde Park; dann kam man endlich zu einer Entscheidung über sein weiteres Schicksal. Fast niemand hatte ja gewollt, dass er gänzlich verschwand, doch man konnte sich partout nicht einigen, was aus ihm werden sollte. Ein ziemlich durchgeknallter Vorschlag war, ihn zu einem dreihundert Meter hohen gläsernen Turm umzugestalten. Schließlich baute man ihn im Süden Londons, in Sydenham, in einem neuen Park wieder auf, der Crystal Palace Park genannt wurde. Aus unerfindlichen Gründen wurde er bei dem Prozedere noch größer: nämlich eineinhalb Mal so groß, und man verbrauchte noch einmal so viel Glas wie vorher. Weil er an einem abschüssigen Gelände errichtet wurde, war der Wiederaufbau viel kniffliger. Viermal brach alles in sich zusammen. Etwa 6400 Arbeiter waren am Werk, sie brauchten mehr als zwei Jahre, und siebzehn verloren ihr Leben. Was am ersten Kristallpalast wie durch Zauberhand Gestalt angenommen hatte, fehlte nun. Seinen Platz in der Gunst der Nation gewann er nie wieder zurück. 1936 brannte er ab.
    Zehn Jahre nach der Weltausstellung starb Prinz Albert, und ein großes neugotisches Raumschiff namens Albert Memorial wurde ihm zu Ehren westlich des Ortes errichtet, an dem der Crystal Palace gestanden hatte. Die Kosten betrugen satte einhundertzwanzigtausend Pfund oder eineinhalb Mal so viel wie die des Kristallpalasts. Da thront Albert nun unter einem riesigen vergoldeten Baldachin, ein Buch auf dem Schoß: den Katalog der Weltausstellung. Für Joseph Paxton oder Henry Cole gibt es weder Statuen noch sonstige Denkmäler. Von Paxtons ursprünglichem Crystal Palace sind nur die zwei großen schmiedeeisernen Tore erhalten, die sich an der Kartenkontrolle am Eingang befanden und die heute unerkannt die Grenze zwischen dem Hyde Park und den Kensington Garden markieren.
    Auch das goldene Zeitalter der Landpfarrer endete abrupt. In den 1870er Jahren setzte eine schwere Krise in der Landwirtschaft ein, die Grundbesitzer und alle, deren Wohlstand vom Land abhing, hart traf. Binnen sechs Jahren verließen einhunderttausend Bauern und Landarbeiter das Land. In unserer Gemeinde fiel die Bevölkerungszahl in fünfzehn Jahren um die Hälfte, der Einheitswert für die Grundsteuer der gesamten Gemeinde betrug gerade mal 1713 Pfund, knappe einhundert Pfund mehr, als Thomas Marsham drei Jahrzehnte zuvor der Bau seines Hauses gekostet hatte.
    Am Ende des Jahrhunderts belief sich das Durchschnittseinkommen des englischen Landpfarrers auf weniger als die Hälfte dessen, was es fünfzig Jahre zuvor betragen hatte. In Kaufkraft ausgedrückt war es geradezu ein Hungerlohn. Pfarren auf dem Land waren keine attraktiven Pfründe mehr. Viele Geistliche konnten es sich nicht einmal mehr leisten zu heiraten. Wer schlau war und die Möglichkeit dazu hatte, setzte seine Fähigkeiten woanders ein. »Um die Jahrhundertwende«, schreibt David Cannadine, »waren die besten Köpfe einer Generation nicht mehr in der Kirche zu finden, sondern ganz woanders«.
    1899 wurde der Familienbesitz der Marshams aufgeteilt und verkauft, und damit endete eine gute, wichtige Beziehung mit der Grafschaft. Komischerweise war ein unvermutetes Ereignis in der Küche für die verheerende Landwirtschaftskrise der

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