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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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die Parklandschaft, das Haus — alle gehörten nun zu einem harmonischen Ganzen. Plötzlich musste der attraktive Teil eines Anwesens nicht an der äußeren Rasenkante enden, sondern erstreckte sich sozusagen bis zum Horizont.
    Eine weniger nette Praxis führte Vanbrugh beim Earl of Carlisle auf Castle Howard aber auch ein: Wenn er Dörfer auf dem Anwesen nicht malerisch genug fand oder sie ihn störten, machte er sie platt und verschob die Bewohner woanders hin. Bei Castle Howard räumte er nicht nur ein ganzes Dorf ab, sondern auch eine Kirche und die Ruinen des Schlosses, von dem das neue seinen Namen bekam. Bald zerstörte man überall im Land Dörfer, um Platz für größere Adelssitze und unverstellte Ausblicke zu schaffen. Es war fast, als könne ein reicher Mann nicht mit der Arbeit an einem Prachthaus beginnen, wenn er nicht wenigstens das Leben von ein paar Dutzend Personen niederen Standes gründlich aufgemischt hatte. Oliver Goldsmith beklagte diesen Brauch in einem langen sentimentalen Gedicht »Das verlassene Dorf«, das von einem Besuch in Nuneham Park in Oxfordshire inspiriert wurde, wo der erste Earl Harcourt gerade dabei war, ein uraltes Dorf niederzureißen, um die Umgebung für sein neues Heim malerischer zu gestalten. Hier aber hielt das Schicksal doch eine interessante Rache parat. Als das Werk vollbracht war, machte der Earl einen Spaziergang über sein neu gestaltetes Anwesen, vergaß, wo der alte Dorfbrunnen gewesen war, fiel hinein und ertrank. *
    Ob Vanbrugh wirklich alles erfunden hat, von dem gerade die Rede war, ist nicht sicher. Horace Walpole zum Beispiel schreibt Bridgeman die Erfindung des Ha-Ha zu, aber womöglich hat er Vanbrugh ja auf die Idee gebracht. Oder auch umgekehrt. Jedenfalls hatten die Leute Anfang der 1710er Jahre plötzlich jede Menge Ideen, wie sie die Landschaft verschönern konnten, und das hieß für sie im Wesentlichen, ihr ein natürlicheres Aussehen zu verleihen. Dazu hatte unter anderem ein später als »Great Blow« bekannt gewordener Sturm im Jahre 1711 beigetragen. Er fällte im ganzen Land Bäume und machte offensichtlich eine Menge Zeitgenossen auf etwas aufmerksam, das sie bis dahin lediglich für eine schöne Kulisse gehalten hatten. Plötzlich liebten sie nämlich die Natur und kümmerten sich viel mehr um sie.
    * Im folgenden Jahrhundert gelangte Nuneham Park noch einmal zu Ruhm. Im Sommer 1862 weilte Charles Lutwidge Dodgson mit einer Gesellschaft dort zu Besuch, zu der auch Alice Liddell gehörte, Tochter des Dekans seines Oxforder Colleges Christ Church, und begann dort mit dem Schreiben der Geschichten, die einmal Alice im Wunderland werden sollten.
    Joseph Addison, Dichter, Journalist und Essayist, wurde mit einer Serie von Artikeln im Spectator unter der Überschrift »Über die Freuden der Imagination« zur Stimme dieser Bewegung. Er war der Ansicht, dass ohnehin die Natur alle Schönheit liefere. Sie bedürfe nur geringen Eingreifens oder, wie er in einem berühmten Satz ausdrückte: »Der Mensch kann aus seinen Ländereien eine hübsche Landschaft machen.« Dann fuhr er fort: »Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Meinung allein dastehe, doch ich persönlich schaue lieber einen Baum mit all der luxuriösen Fülle seiner wirren Äste und Zweige an als einen, der zu einer geometrischen Figur zurechtgeschnitten und gestutzt ist.« Nun schien ihm auf einmal alle Welt zuzustimmen.
    Und überall folgten die adligen Hausbesitzer diesen Grundsätzen begierig und legten schön gewundene Pfade und anmutige Seen an. Allerdings mehr noch verschönernde Bauten. Im ganzen Land packten sie ihre Parkanlagen voll mit Grotten, Tempeln, Aussichtstürmen, künstlichen Ruinen, Obelisken, zinnenbewehrten Fantasiebauten, Menagerien, Orangerien, Pantheons, Amphitheatern, Exedren (halbrunden Räumen mit Nischen für Büsten von Heldengestalten), auch mal Nymphäen und was sonst für kapriziöse Dinge ihnen noch einfielen. Und es waren keine dekorativen Kinkerlitzchen, sondern mächtige Monumente.
    Das von Nicholas Hawksmoor entworfene Mausoleum in Castle Howard, in dem Vanbrughs Auftraggeber, der dritte Earl, nun die Ewigkeit verbringt, war so groß und teuer wie die Kirehen von Christopher Wren in London. Robert Adam zeichnete Pläne, anhand derer er auf einem zwölf Morgen großen, mit Wiesen bedeckten Berghang in Herefordshire eine vollständig ummauerte, malerisch in Ruinen liegende römische Stadt anlegen wollte, nur damit ein niederer Adliger namens Lord Harley

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