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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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immer große Gärten angelegt werden sollten, war Bridgeman dabei. Es existiert kein Einzelporträt von ihm, aber er taucht eher unerwartet auf dem zweiten Bild von Hogarths Bildfolge »Werdegang eines Wüstlings« auf. Da ist er einer von mehreren Männern — unter anderem ein Schneider, ein Tanzlehrer und ein Jockey —, die den Wüstling bedrängen, sein Geld bei ihnen zu investieren*. Aber Bridgeman sieht steif aus, als fühle er sich unwohl und sei irgendwie ins falsche Bild gelaufen.
    Der Gartenbau war schon ein riesiges Geschäft in England, als Bridgeman hinzukam. Auf den einhundert Morgen der Gärtnerei
    * Die Bilder zeichnen die einzelnen Stationen des Abstiegs eines reichen jungen Mannes nach. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass sie sich im Besitz William Beckfords (dem mit der Fonthill Abbey) befanden, bis er (und sein Haus) unterging.
    im Londoner Brompton-Park, dort, wo heute die mächtigen Museen South Kensingtons stehen, wurden enorme Mengen Sträucher, exotische Pflanzen und anderes Grünzeug für Adelssitze im ganzen Land gezogen. Deren Gärten sahen im Übrigen ganz anders aus, als wir sie heute kennen. Sie waren grellbunt, die Pfade waren mit farbigem Kies belegt, Statuen leuchtend bemalt, die Pflanzen in den Beeten nach Intensität der Farben ausgesucht. Nichts war natürlich oder zurückhaltend. Hecken waren zu den lebhaftesten Formen gestutzt, Pfade und Rabatten rigoros gerade gehalten und mit penibelst gestutztem Buchsbaum oder Eiben gesäumt. Die Form regierte. Die Gartenanlagen von Herrenhäusern waren weniger Parks als geometrische Figuren.
    Nun wurde diese ganze Ordnung und Künstlichkeit plötzlich hinweggefegt, und die neue Mode diktierte, dass alles natürlich aussehen musste. Wo dieses Bedürfnis auf einmal herkam, kann man nicht genau sagen. Das frühe achtzehnte Jahrhundert war eine Zeit, in der junge Männer von privilegierter Herkunft gemeinhin auf Kavaliersreise durch Europa gingen. Zurück kamen sie fast ausnahmslos voller Begeisterung für die klare Formensprache der antiken Welt und mit dem brennenden Wunsch, sie in einer englischen Umgebung zu kopieren. Baulich wollten sie nichts sehnlicher, als fantasie- und hemmungslos alles Klassische nachahmen, die Gartenanlagen indes sollten das ganze Gegenteil sein, ja draußen kreierte man eine völlig neue Welt. Wer glaubt, die Briten hätten die Begabung fürs Gärtnern in den Genen, für den ist diese Zeit der Beweis.
    Einer der Hauptakteure dieser Entwicklung war unser alter Freund Sir John Vanbrugh. Als Autodidakt brachte er eine frische Sichtweise mit. Zum Beispiel bezog er, wie bis dato kein Architekt, Lage und Umgebung seiner Häuser in seine Überlegungen ein. Castle Howard, eins der ersten Projekte, die er in Angriff nahm, verschob er um neunzig Grad auf der Achse, so dass es nicht, wie von William Talman vorgesehen, von Ost nach West ausgerichtet war, sondern von Nord nach Süd. Dadurch wurde es zwar unmöglich, die klassische lange Anfahrt anzulegen, von der aus man das Haus stets direkt im Blick hat, doch es stand viel schöner und natürlicher in der Landschaft. Vor allem hatten diejenigen, die drin waren, einen viel schöneren Blick auf die Welt draußen. Das war eine radikale Abkehr von der Tradition. Bis dato hatte man Häuser nicht so gebaut, dass man einen schönen Blick hatte. Sie waren der Blick.
    Um die schönsten Ausblicke noch schöner zu machen, führte Vanbrugh eine weitere geniale Neuheit ein, nämlich ein Gebäude, das keinem anderen Zweck diente, als das Bild zu perfektionieren und dem schweifenden Auge einen angenehmen Ort zum Verweilen zu bieten, wie der Tempel der vier Winde in Castle 1 loward, der zum Prototyp geworden ist. Außerdem fügte Vanbrugh die allerraffinierteste und revolutionärste Neuerung weit und breit ein: den ha-ha, einen tief gesetzten Zaun, ähnlich einer Palisade, der den privaten Teil eines Guts von dem Teil trennt, der bewirtschaftet wird, ohne dass der Blick verstellt ist. Diese Idee hatte Vanbrugh von französischen Militärfestungen (wo er ja jahrelang im Gefängnis gesessen hatte). Der englische Name, der sich auch im Deutschen eingebürgert hat, soll daher kommen, dass die Leute, die die versenkten Zäune erst im letzten Moment sahen, bei ihrer Entdeckung oft ganz überrascht »Ha-ha!« riefen. Der Zaun war nicht nur praktisch, weil er die Kühe vom Rasen fernhielt, sondern auch, weil er gestattete, die Welt auf eine völlig neue Art zu sehen. Das Gelände, der Garten,

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