Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
vom Frühstückstisch etwas Unterhaltsames anzugucken hatte. Die Stadt wurde nie Wirklichkeit, doch andere atemberaubend großkotzige Objekte der Zerstreuung wurden gebaut. Die berühmte, fast fünfzig Meter hohe Pagode in den Kew Gardens war lange das höchste chinesische Gebäude in England. Bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein war sie üppig vergoldet, mit insgesamt achtzig — Drachen bemalt und mit klimpernden Messingglöckchen behängt, die König George IV. aber angeblich alle verscherbelte, um Schulden zu begleichen. Heute sehen wir also eine geplünderte Pagode. Zu einem bestimmten Zeitpunkt standen in den Kew Garden neunzehn weitere Fantasiegebilde herum, darunter eine türkische Moschee, eine Alhambra, ein gotischer Miniaturdom sowie Tempel für Äolus, Arethusa, Bellona, Pan, den Frieden, die Einsamkeit und die Sonne — alles nur, damit ein paar Mitglieder der königlichen Familie sich auf ihren Spaziergängen nicht langweilten.
Eine Weile lang war es auch hochmodisch, eine Eremitage zu bauen und sie mit einem lebenden Eremiten zu bestücken. In Painshill in Surrey unterschrieb ein Mann einen Vertrag, in dem er sich für jährlich einhundert Pfund verpflichtete, sieben Jahre in malerischer Abgeschiedenheit zu leben und dabei ein mönchisches Schweigegelübde einzuhalten. Nach drei Wochen wurde er gefeuert, weil man ihn bei einem Bierchen im Dorfgasthaus erwischt hatte. Ein Herrenhausbesitzer in Lancashire versprach ein Leben lang jährlich fünfzig Pfund demjenigen, der sieben Jahre in einer unterirdischen Behausung auf seinem Anwesen verbrachte, ohne sich Haare oder Zehennägel zu schneiden und ohne mit einem Menschen zu sprechen. Jemand nahm das Angebot an und blieb auch vier Jahre, fand es dann aber nicht mehr zum Aushalten. Ob er für seine Bemühungen wenigstens die Hälfte der Pension bekommen hat, ist leider nicht überliefert. Königin Caroline — die mit der Serpentine im Hyde Park — ließ sich von dem Architekten William Kent in Richmond eine Eremitage bauen, in der sie den Dichter Stephen Duck unterbrachte, doch dem war auch kein Erfolg beschieden. Duck kam zu dem Schluss, dass er weder die Stille mochte noch dass ihn Fremde anschauten, und kündigte. Kurios ist, dass er danach Pfarrer an einer Kirche in Byfleet in Surrey wurde. Leider wurde er dort auch nicht glückI ich — er scheint nirgendwo glücklich geworden zu sein — und ertränkte sich in der Themse.
Das ultimative Irrsinnsgebäude aber ließ der dritte Earl of Burlington (auch ein Mitglied des Kit-Cat-Clubs) in Chiswick, damals ein Dorf westlich von London, errichten. Chiswick House war weder ein Haus, noch sollte es bewohnt werden, sondern es war ein Ort, an dem man Kunst anschauen und Musik hören konnte, eine Art aufgemotztes Sommerhaus, das palastähnliche Dimensionen bekam. Aus diesem Anwesen, wenn Sie sich kurz erinnern wollen, trat der schwerhörige achte Herzog von Devonshire heraus und nahm Joseph Paxton als Obergärtner in seine Dienste.
Charles Bridgeman und seine Nachfolger arbeiteten derweil extensiv ganze Landschaften um. Auch Bridgemans Meisterwerk Stowe wurde in gigantischen Ausmaßen gestaltet. Einer der HaHas war länger als sechs Kilometer, Hügel wurden umgeformt, Täler geflutet, wie nebenbei großartige Marmortempel verstreut. Stowe war anders als alles, was je bis dahin gebaut worden war. Es wurde weltweit zu einer der ersten wahren Touristenattraktionen, der erste Garten in Großbritannien, der Besucher anzog, und der erste, der seinen eigenen gedruckten Führer bekam. Er wurde so beliebt, dass Lord Cobham, der Besitzer, 1717 ein Gasthaus in der Nachbarschaft kaufen musste, um Gäste unterzubringen.
1738 starb Bridgeman, sein Nachfolger war so jung, dass er noch nicht einmal geboren war, als Bridgeman mit der Arbeit in Stowe begann. Er hieß Lancelot Brown und war genau der Mann, den die Landschaftsgärtnerei brauchte.
Browns Lebensgeschichte erinnert sehr an die von Joseph Pax-ton. Beide waren Bauernsöhne, beide außerordentlich klug und fleißig, beide begannen als Jungen mit dem Gärtnern und errangen, als sie bei reichen Männern beschäftigt waren, schnell großes Ansehen. Browns Geschichte beginnt in Northumberland, wo sein Vater Pächter auf einem Gut namens Kirkharle war. Dort ging der junge Brown mit vierzehn in eine Gärtnerlehre, diente volle sieben Jahre und verließ dann Northumberland und zog nach Süden, womöglich weil er wegen seines Asthmas ein besseres Klima suchte. Was er im
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