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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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nächsten Lebensabschnitt tat, weiß man nicht, aber er muss schon einen ausgezeichneten Ruf gehabt haben, denn kurz nach dem Tod von Charles Bridgeman entschied sich Lord Cobham für ihn als neuen Chefgärtner in Stowe. Da war er gerade mal vierundzwanzig.
    Nun jedoch war er für vierzig Angestellte verantwortlich und sowohl Chefgärtner als auch Zahlmeister. Nach und nach übernahm er die Leitung des gesamten Anwesens, der Bauvorhaben wie der gärtnerischen Projekte. Dabei und sicher auch durch zusätzliche Studien bildete er sich zu einem absolut kompetenten, wenn auch eher handwerklich begabten Architekten weiter. Als Lord Cobham 1749 starb, quittierte Brown den Dienst, zog nach Hammersmith, damals auch ein Dorf westlich von London, und machte sich selbstständig. Im Alter von etwa fünfunddreißig wurde er der Mann, den die Geschichte als Capability Brown kennt.
    Er hatte weitreichende Visionen. Er schuf keine Gärten, er schuf Landschaften. Da er immer sagte, ein Anwesen habe capabilities, also Potenzial, wenn er es zum ersten Mal in Augenschein nahm, hatte er bald den berühmten Spitznamen weg. Lange beschrieb man ihn als bloßen Tüftler, als einen, der hier und da etwas verbesserte, aber eigentlich nur Bäume zu reizvollen Gruppen zusammenstellte. In Wirklichkeit hat jedoch niemand mehr Erde bewegt oder in größerem Stil gearbeitet als er. Um das griechische Tal in Stowe anzulegen, schafften seine Arbeiter in Schubkarren 18 000 Kubikmeter Erde und Felsen fort und schütteten sie woanders auf. In Heveningham in Suffolk erhöhte er eine große Rasenfläche um drei Meter sechzig. Mit Vorliebe versetzte er auch ausgewachsene Bäume und, wenn's sein musste, ausgewachsene Dörfer. Um Ersteres zu bewerkstelligen entwarf er ein Gefährt mit Rädern, mit dem man bis zu elf Meter hohe Bäume wegtransportieren konnte, ohne dass sie Schaden litten — ein Gartengerät, das man geradezu als genial betrachtete. Er pflanzte zigtausend Bäume — in einem einzigen Jahr in Longleat 91 000 Stück — und legte Seen auf einhundert Morgen fruchtbaren Ackerlands an, was einigen seiner Kunden sicher sauer aufstieß. Zu beiden Seiten einer herrlichen Brücke über ein mickriges Bächlein in Blenheim entstanden künstliche Seen, und das Ganze war eine Pracht.
    Vor seinem inneren Auge sah er immer ganz genau, wie Landschaften in einhundert Jahren aussehen konnten, und pflanzte fast ausschließlich einheimische Bäume, lange bevor es sonst jemandem einfiel. Unter anderem deshalb sieht das von ihm Geschaffene aus, als habe es sich natürlich entwickelt, dabei war es fast bis zum letzten Kuhfladen erdacht. Er war weit mehr Ingenieur und Landschaftsarchitekt als Gärtner und hatte ein besonderes Talent dafür, »das Auge zu verwirren« — indem er zum Beispiel zwei Seen auf verschiedenen Höhen so anlegte, dass sie wie ein viel größerer einziger aussahen. Brown schuf Landschaften, die in gewissem Sinn »englischer« waren als die Landschaft, die sie ersetzten, und er machte das so großflächig und konsequent, dass man sich heute schon sehr bemühen muss zu ermessen, wie es dort wohl ganz früher ausgesehen haben mochte. Er selbst nannte seine Arbeit »einen Ort erschaffen«. Ein großer Teil Englands, jedenfalls im Süden und Osten, sieht heute vielleicht zeitlos alt aus, doch sind diese Landschaften weitgehend eine Schöpfung des achtzehnten Jahrhunderts, und da vor allem eine Schöpfung Browns. Wenn das Tüfteln ist, dann in großem Stil!
    Brown bot seinen Kunden einen umfassenden Service an: Entwurf, Bereitstellung der Pflanzen, das Anpflanzen und danach die Pflege. Er arbeitete hart und schnell und führte zahlreiche Aufträge aus. Seinerzeit hieß es, dass er mehr als einen einstündigen flotten Rundgang über ein Grundstück nicht brauchte, um sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Reizvoll an Browns Arbeitsweise war vor allem, dass es auf lange Sicht billig war. Während nämlich exakt getrimmte Flächen mit ihren Parterres, den in Form geschnittenen Bäumen und Büschen und kilometerlangen gestutzten Hecken, mühsam in Schuss gehalten werden mussten, kamen Browns Landschaften im Großen und Ganzen ohne Gärtner aus. Brown sah die Dinge auch entschieden praktisch. Wo andere Tempel, Pagoden und Grabmäler bauten, ließ er Gebäude errichten, die Molkereibetriebe, Hundezwinger oder Wohnungen für Gutsarbeiter beherbergten. Da er auf einem Bauernhof aufgewachsen war, verstand er etwas von Ackerbau und Viehzucht und schlug

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