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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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hätten einen anderen Verlauf genommen. Alles wäre vollkommen anders gekommen, so anders, dass wir es uns kaum vorstellen können. Im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts hörte man nämlich schon viele wütende populistische Reden von den amerikanischen Farmern, voller Hass auf Banken und Großkapital, und dieser Hass war auch in den großen Städten, besonders bei den neu ankommenden Einwanderern gang und gäbe. Wäre die Landwirtschaft damals zusammengebrochen und hätten überall Hunger und Not geherrscht, wäre der Sozialismus als Alternative garantiert viel populärer geworden. Auch so gab es ja viele Menschen, die ihn glühend herbeiwünschten.
    Aber natürlich beruhigte sich die Lage, der Westen dehnte sich immer weiter aus, die Vereinigten Staaten wurden der Brotkorb der Welt, die britische Landwirtschaft geriet ins Trudeln und erholte sich im Grunde nie. Zu der Geschichte kommen wir zu gegebener Zeit, wollen aber vorher in den Garten gehen und überlegen, warum die britische Landschaft so häufig so reizvoll war und ist.

Zwölftes Kapitel
    Der Garten
    I.
    1730 wagte Königin Caroline von Ansbach, die rührige, stets auf Verbesserung bedachte Gattin Georges II., etwas unerhört Kühnes. Sie befahl, den kleinen Fluss Westbourne in London umzuleiten, damit in der Mitte des Hyde Parks ein See entstand. Der See wurde Serpentine genannt, und es gibt ihn heute noch, und die Besucher finden ihn immer noch schön. Doch wohl kaum einem ist klar, was für ein historisch bedeutsames Gewässer er ist.
    Es war nämlich der erste künstliche Teich der Welt, der so angelegt wurde, dass er nicht künstlich aussah. Heute kann man sich kaum noch vorstellen, was für ein radikaler Schritt das war. Bis dahin waren alle künstlichen Gewässer streng geometrisch gewesen — entweder wie eine Kiste rechteckig (»Spiegelteich«) oder rund wie der Round Pond in den Kensington Gardens neben dem Hyde Park, der nur zwei Jahre früher angelegt worden war. [)er neue künstliche See verlief in einer betörend anmutigen Bogenform und sah aus wie eine glückliche Laune der Natur. Die Leute, von dieser Täuschung begeistert, kamen in Scharen, um ihn zu bewundern. Die königliche Familie war so angetan, dass sie eine Zeitlang zwei überdimensionale Jachten auf der Serpentine stehen hatte, obwohl man die aus Platzmangel kaum wenden konnte, ohne zu kollidieren.
    Endlich einmal konnte Königin Caroline beim Volk punkten, denn ihre bisherigen gärtnerischen Ambitionen waren oft unklug gewesen. Während sie die Serpentine anlegen ließ, zwackte

    sie zum Beispiel zweihundert Morgen des Hyde Park für den Garten von Kensington Palace ab und verbannte die Bürger von dessen grünen Pfaden, das heißt, sie durften nur noch samstags hin und dann auch nur ein paar Monate im Jahr — und anständig aussehen mussten sie natürlich auch. Kein Wunder, dass Caroline sich damit keine Freunde machte. Sie spielte sogar mit der Idee, den gesamten St. James's Park für die Öffentlichkeit zu schließen, doch als sie ihren Premierminister Robert Walpole fragte, wie viel das kosten werde, erwiderte dieser mit dünnem Lächeln: »Nur eine Krone, Madam.«
    Die Serpentine aber schlug sofort ein, und das Verdienst dafür — für die praktische Durchführung, wenn auch vielleicht nicht Kir den Plan — gebührt einer obskuren Gestalt namens Charles Bridgeman. Wo genau dieser absolut geniale Mann herkam, ist immer ein Geheimnis geblieben. Quasi aus dem Nichts tauchte 1709 seine Unterschrift auf einer Reihe fachlich erstklassiger Zeichnungen für geplante Landschaftsarbeiten am Blenheim Palace auf. Alles Vorherige basiert auf Vermutungen: Wo er geboren wurde, wann er wie aufwuchs, wo er seine beträchtlichen Fähigkeiten erwarb. Historiker sind sich nicht einmal einig, ob sein Name Bridgeman oder Bridgman geschrieben wird.
    Doch dreißig Jahre lang war er fortan überall dort im Einsatz, wo Gartenkunst auf hohem Niveau gewünscht wurde, und arbeitete an Projekten in ganz England mit allen führenden Architekten: John Vanbrugh, William Kent, James Gibbs, Henry Flitcroft. Er entwarf und legte Stowe in Buckinghamshire an, den berühmtesten Garten der Zeit. Er wurde zum königlichen Gärtner ernannt und leitete die Parks in Hampton Court, Windsor, Kew und alle dem König gehörenden Gärten. Er schuf den Park in Richmond und, wie erwähnt, den Round Pond und die Serpentine. Er plante und begutachtete Land für adlige Herrschaften im gesamten Süden Englands. Wo

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