Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
kardieren, kardätschen, verspinnen, ausrüsten und walken. Zum Walken gehörte, das Gewebte zu schlagen und zu schrumpfen, zum Ausrüsten beispielsweise das Appretieren. Kämmte man die Fasern flach, bekam man einen strapazierfähigen, aber vergleichsweise steifen Stoff: Kammgarn. Um weichere Wolle zu bekommen, benutzte man sogenannte Krempel, mit denen man die Fasern flauschiger machte. Damit der fertige Stoff glänzender wurde, mixte man manchmal Haar von Wieseln, Hermelinen und anderen Tieren darunter.
An vierter Stelle bei den verwendeten Stoffen kam Seide. Seide war ein rarer Luxus, buchstäblich Gold wert! Straftatenregister aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert verzeichnen fast immer lang und breit, was Seidendiebe zu erwarten hatten. Die Delinquenten kamen ins Gefängnis oder wurden nach Australien deportiert, nur weil sie ein Taschentuch, ein Päckchen Spitze oder eine andere Kleinigkeit gestohlen hatten. Doch es waren keine Kleinigkeiten. Ein Paar Seidenstrümpfe konnte fünf Pfund und ein Päckchen Spitze zwanzig Pfund kosten. Ein Seidenumhang war erst für fünfzig Pfund zu haben — so viel, dass nur Mitglieder des hohen Adels sich einen leisten konnten. Wenn die Leute überhaupt etwas aus Seide besaßen, dann in Form von Bändern, Bordüren und Schleifen.
Die Chinesen schützten die Geheimnisse der Seidenproduktion mit Ingrimm; wenn man auch nur ein Maulbeersamenkörnchen aus dem Land schmuggelte, drohte einem die Hinrichtung.
Doch zumindest was Nordeuropa betraf, hätten die Chinesen sich keine Sorgen zu machen brauchen, denn Maulbeerbäume waren zu frostempfindlich, um dort zu gedeihen. Großbritannien versuchte einhundert Jahre lang mit allen Mitteln, Seide herzustellen, und erzielte manchmal auch gute Resultate, doch die kalt en Winter waren ein Nachteil, den es nicht kompensieren konnte.
Mit den wenigen Materialien und einem bisschen Dekomaterial wie Federn und Hermelin machten sich die Menschen trotzdem wunderbare Outfits, so schön, dass es die Herrschenden im vierzehnten Jahrhundert für nötig befanden, Aufwands- oder Luxusgesetze zu erlassen, um ihren Untertanen auch in dem, was sie auf dem Leibe trugen, Grenzen zu setzen. In den Gesetzen wurde mit fanatischer Genauigkeit geregelt, welche Stoffe in welchen Farben ein Individuum tragen durfte. Zu Zeiten Shakespeares durfte jemand mit einem Jahreseinkommen von zwanzig Pfund ein Satinwams, aber kein Satingewand tragen, während jemandem mit einhundert Pfund im Jahr bei Satin keine Einschränkungen auferlegt wurden. Aus Samt wiederum durfte er lediglich Wämser haben, und das auch nur, wenn der Samt nicht purpurrot oder blau war. Diese Farben waren Angehörigen höherer Stände vorbehalten. Genau einzuhaltende Bestimmungen existierten auch bei der Menge des Stoffes, den man bei einem bestimmten Kleidungsstück verwenden durfte, und ob dieses gefältelt oder glatt getragen werden durfte oder musste und so weiter. Als König Jakob I. 1603 Shakespeare und seine Schauspielerkollegen zu seiner königlichen Truppe, den King's Men, ernannte, gehörte zu den Vergünstigungen, dass sie gut vier Meter scharlachrotes Tuch geschenkt bekamen und es tragen durften, eine ziemliche Ehre für die Herren aus der eher wenig salonfähigen Theaterbranche.
Die Aufwandsgesetze wurden einerseits deshalb erlassen, damit sich bloß niemand über seinen Stand erhob, andererseits aber auch zur Förderung der einheimischen Industrie, denn oft wurden sie so abgefasst, dass sie den Import ausländischer Stoffe sehr erschwerten. Es gab sogar einmal ein Kappengesetz, mittels dessen den Kappenmachern durch eine Rezession geholfen werden sollte. Die Leute mussten Kappen statt Hüte tragen. Aus unbekannten Gründen ärgerten sich die Puritaner ganz furchtbar darüber und handelten sich oft Geldstrafen ein, weil sie dagegen verstießen. Verschiedene Kleiderordnungen wurden 1337, 1363, 1463, 1483, 1510, 1533 und 1554 erlassen, doch im Großen und Ganzen nicht sehr streng durchgesetzt. Jedenfalls findet man kaum Dokumente zu Gerichtsverfahren, und 1604 wurden sie allesamt aufgehoben.
Wer eher ein vernunftgesteuerter Typ ist, für den ist Mode zwangsläufig ein Buch mit sieben Siegeln. Während langer Phasen in der Geschichte — vielleicht der meisten — scheint es, als sei Sinn und Zweck von Mode einzig und allein gewesen, so lächerlich wie möglich auszusehen. War die Kleidung dann auch noch so unbequem wie möglich, war der Triumph perfekt.
Unpraktische Kleidung
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