Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
auf der linken, dass man sich den Tories zugehörig fühlte. Ein Herz auf der rechten Wange signalisierte außerdem, dass man verheiratet war, auf der linken, verlobt. Die Schönheitspflästerchen wurden so kompliziert und differenziert, dass auch sie ein ganzes Vokabular hervorbrachten. Eines auf dem Kinn war als silencieuse bekannt und signalisierte, dass die Trägerin schweigsam war; eines auf der Nase als l'impudente beziehungsweise effrontée (passend für eine Dame mit lockeren Sitten), eines mitten auf die Stirn als majestueuse (für ein würdevolles weibliches Wesen), und so ging's weiter über den ganzen Kopf. Wie um zu zeigen, dass Kreativität, die ins Lächerliche abdriftet, keine Grenzen kennt, war es kurz der letzte Schrei, unechte Augenbrauen aus Mäusefell zu tragen.
Schönheitspflästerchen waren aber wenigstens nicht giftig, und damit über Jahrhunderte im Grunde die einzigen Kosmetika, die halbwegs harmlos waren. In England gab es eine lange Tradition, sich um vermeintlichen Liebreizes willen zu vergiften. Pupillen konnten mit Tropfen der Belladonnatinktur (Tollkirschensaft) attraktiv geweitet werden, doch am gefährlichsten war das Bleiweiß, eine Paste aus Bleikarbonat, die äußerst beliebt war. Frauen mit Pockennarben spachtelten diese mit Bleiweiß wie mit Mörtel aus, doch auch viele Frauen, die gar nicht durch Narben entstellt waren, benutzten es, um sich eine wunderhübsche gespenstische Blässe zu geben. Bleiweiß blieb bemerkenswert lange in Gebrauch. In der Kosmetik zum ersten Mal erwähnt wird es 1519, als man notierte, dass die Dame von Welt »Gesicht, Hals und Büste mit Bleiweiß weißt«, und 1754 wunderte sich die Zeitschrift Connoisseur immer noch, dass »jede Dame, die man trifft, mit Bleiweißpaste und Pampe beschmiert ist«. Bleiweiß hatte drei schlimme Nachteile: Es brach, wenn die Trägerin lächelte oder überhaupt das Gesicht verzog, es wurde nach ein paar Stunden grau, und wenn man es lange benutzte, konnte man daran sterben. Zumindest konnten einem die Augen schmerzhaft anschwellen und die Zähne locker werden und ausfallen. Mindestens zwei bekannte Schönheiten, die Kurtisane Kitty Fisher und die Gesellschaftsdame Maria Gunning, Gräfin von Coventry, sollen sich beide, als sie noch in den Zwanzigern waren, mit Bleiweiß vergiftet haben, aber einschätzen, wie viele andere durch ihre Liebe zu Bleiweiß vorzeitig starben oder ihre Gesundheit zerrütteten, kann man beim besten Willen nicht.
Giftige Tränklein waren auch beliebt. Bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein nahmen viele Frauen zur Verbesserung ihres Teints ein Gebräu zu sich, das Fowler's Solution hieß und verdünntes Arsen war. Dante Gabriel Rossettis Gattin, Elizabeth Siddal (vor allem in Erinnerung als Modell für die ertrunkene Ophelia in John Everett Millais' Gemälde), schluckte das Zeug mit Begeisterung, und es trug gewiss zu ihrem frühen Tod 1862 bei.*
Auch Männer trugen Make-up und kleideten sich etwa ein Jahrhundert lang atemberaubend weiblich, manchmal in den unerwartetsten Situationen. Der Graf von Orléans, Bruder Ludwig XIV., war (wie die Schriftstellerin Nancy Mitford freimütig formuliert) »einer der berühmtesten Sodomiten der Geschichte« ein tapferer Soldat, dessen Verhalten bisweilen zugleich ein wenig unorthodox war. »Bemalt, gepudert, mit aneinanderklebenden Wimpern, geschmückt mit Bändern und Diamanten« kam er aufs Schlachtfeld, schrieb Mitford im Sonnenkönig. »Aus Angst, seine Perücke werde zerdrückt, trug er nie eine Kopfbedeckung. Einmal in Aktion, war er mutig wie ein Löwe, Sorgen bereitete ihm nur, was Sonne und Staub seinem Teint anhaben könnten.« Männer wie Frauen schmückten ihr Haar mit allen möglichen Federn und umwanden jede vorwitzige Locke mit einem Band. Manche Männer trugen auch High Heels — keine klobigen Plateauschuhe, sondern welche mit schlanken, spitzen, bis zu fünfzehn Zentimetern hohen Absätzen — oder auch Pelzmuffe, um die Hände warm zu halten. Im Sommer verzichteten viele nicht auf Sonnenschirme, und fast alle übergossen sich mit Parfüm. In England nannte
* Außer sich vor Kummer begrub ihr Gatte sie mit einem Bündel seiner Gedichte, die er vorher leider nicht kopiert hatte. Sieben Jahre später überlegte er sich die Sache anders, ließ das Grab öffnen und die Gedichte herausholen. Sie erschienen im darauffolgenden Jahr.
man diese Leute macaronis, nach der Pastasorte, die sie auf ihren Reisen nach Italien kennengelernt
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