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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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sie gar nicht peinlich, denn ein Kuriosum ist im Grunde ja auch, wie kuschelig nah beieinander die Schlafzimmer lagen, obwohl die Bereiche von Herrschaft und Dienerschaft während des Tages so streng voneinander getrennt waren. Nicht leicht, diesen Haushalt richtig zu verstehen.
    Aber wie dem auch sei, Mr. Marsham überlegte es sich offenbar anders, denn in dem Haus, wie es dann gebaut wurde, waren Schlaf- und Ankleidezimmer miteinander verbunden. Letzteres ist jetzt und vermutlich auch schon seit fast einem Jahrhundert ein Badezimmer. Natürlich ziehen wir uns manchmal darin an, und das passt gut, denn wir wollen hier auf die lange und wirklich recht mysteriöse Geschichte der Kleidung und des Sich-Ankleidens zu sprechen kommen.
    Seit wann die Menschen Kleidung tragen, ist schwer zu sagen. Bekannt ist, dass vor ungefähr vierzigtausend Jahren, nach einer immensen Zeitspanne, in der sie nicht viel mehr taten als sich fortzupflanzen und zu überleben, die Cro-Magnon-Menschen die Bühne betraten (benannt nach einer Höhle in der Dordogne, wo man ihre Knochenreste zuerst fand). Sie waren ihrem Verhalten nach moderne Menschen mit einem großen Hirn. Und unter diesen neuen Menschen war ein Schlaufuchs, der eine der größten, am meisten unterschätzten Erfindungen der Geschichte tätigte: die des Seils. Ein Seil ist etwas wunderbar Elementares. Man legt zwei Faserstücke nebeneinander und verdreht sie miteinander. Damit erreicht man zweierlei: Man bekommt eine starke Schnur und kann lange Fäden und Schnüre aus kurzen Fasern drehen. Stellen Sie sich vor, wo wir ohne sie wären. Es gäbe keinen Stoff und keine Kleidung, keine Angelschnüre, Netze, Schlingen, Fallstricke, Taue, Hundeleinen, Gurte, Reepe, Schleudern, keinen Pfeil und keinen Bogen und tausend andere nützliche Dinge auch nicht. Elizabeth Wayland Barber, Textil- historikerin, übertrieb kaum, als sie sagte: »Es war die Waffe, mit der die Menschen die Erde erobern konnten.«
    Historisch gesehen waren die gebräuchlichsten Fasern Leinen und Hanf. Leinen, aus Flachs gewonnen, war beliebt, weil Flachs schnell und hoch, nämlich bis zu einer Höhe von einem Meter zwanzig, wächst und in einem Monat gesät und im nächsten geerntet werden kann. Der Nachteil ist, dass seine Verarbeitung langwierig und öde ist. Circa zwanzig verschiedene Tätigkeiten sind nötig, um die Flachsfasern auszulösen und zum Spinnen weich genug zu machen. Für das Ganze gibt es geheimnisvolle Namen wie Raufen, Riffeln, Brechen, Rotten, Schwingen, Hecheln, aber im Wesentlichen geht es um Schlagen, Trennen, Einweichen und sonst wie die biegsame innere Faser oder den Bast von den hölzernen Teilen des Stängels zu lösen.
    Schlussendlich bekommt man aber einen robusten, vielseitig verwendbaren Stoff: Leinen. Obwohl wir bei Leinen eher an schneeweiß denken, ist seine natürliche Farbe braun. Damit es weiß wird, muss man es in der Sonne bleichen, eine langsame, sich oft über Monate hinziehende Angelegenheit. Die qualitativ schlechteren Stücke bleicht man nicht und macht Leinwand oder Sackleinen daraus. Man kann Leinen im Übrigen nicht gut färben, also nicht viel tun, damit es aufregend wird.
    Hanf ist dem Flachs sehr verwandt, nur grober und nicht so angenehm zu tragen; man benutzte ihn für Taue und Segel. Ausgleichende Gerechtigkeit: Man konnte ihn rauchen und high werden, was erklärt, meint Barber, dass er in der Antike häufiger und in vielen Gegenden angebaut wurde. Anders gesagt: Die Menschen im Altertum liebten ihren Hanf und bauten mehr davon an, als sie für Seil oder Segel gebraucht hätten.
    Das Hauptmaterial für Kleidung war im Mittelalter Wolle. Wolle war viel wärmer als Leinen und trug sich nicht so schnell auf, doch Wollfasern sind kurz und waren wahrscheinlich schwierig zu verarbeiten; die Schafe waren auch früher überraschend wenig wollig. Das bisschen Wolle, das sie hatten, war ursprünglich ein daunenartiger Flaum unter Dreadlocks aus verfilzten Haaren. Bis die Tiere die wandelnden Flauschbündel wurden, die wir heute kennen und schätzen, bedurfte es Jahrhunderte sorgfältiger Zucht. Wolle wurde am Anfang auch nicht geschoren, sondern schmerzhaft — ausgezupft. Kein Wunder, dass Schafe heute noch hibbelig werden, wenn Zweibeiner auftauchen.
    Sobald die Menschen im Mittelalter aber einen Haufen Wolle zusammengezupft hatten, fing die eigentliche Arbeit erst an. Um schließlich Kleidung daraus machen zu können, musste man die Wolle unter anderem waschen, kämmen,

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