Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
kleiner Tisch mit zwei zerbrochenen Beinen, eine zerbrochene Tasse und eine kleine Schüssel. Auf dem Herde kaum ein Funken Feuer und in der Ecke so viel alte Lumpen, als eine Frau in ihre Schürze nehmen konnte, die aber der ganzen Familie zum Bette dienten.«
Engels' Beschreibungen waren ohne jeden Zweifel anrührend und werden heute oft zitiert, doch häufig wird vergessen, dass das Buch 1845 nur auf Deutsch veröffentlicht und erst zweiunddreißig Jahre später ins Englische übersetzt wurde. Als Reformer britischer Institutionen hatte Engels erst, lange nachdem die Reformen begonnen hatten, überhaupt Einfluss.
Anderswo erregten die Lebensbedingungen der Armen aber dann doch Aufmerksamkeit. In den 1860er Jahren wurde es unter Journalisten Mode, sich als Landstreicher zu verkleiden und sich zu nicht so strengen Arbeitshäusern (die wir heute Obdachlosenunterkünfte nennen) Zutritt zu verschaffen, um die Verhältnisse darin zu ergründen und darüber zu berichten. Dann konnten Leser aus sicherer Entfernung zu Hause auf der Couch die aufregenden Erfahrungen teilen, die ihre Mitmenschen an diesen entsetzlichen Orten machten, wie zum Beispiel, dass sich die Insassen im Arbeitshaus von Lambeth nackt ausziehen und in ein trübes Badewasser steigen mussten, »das die Farbe von schwacher Lammbrühe hatte« und voll der abgeschuppten, schmierigen Hinterlassenschaften derjenigen war, die zuvor darin gebadet hatten. In den unwirtlichen Schlafsälen wurden Männer und Jungen, »alle vollkommen nackt«, auf Betten zusammengepfercht, die kaum mehr als Holzpritschen waren. »Jugendliche lagen in den Armen von Männern, Männer umschlangen sich in inniger Umarmung; es gab weder einen Ofen noch Licht noch eine Aufsicht, und die Schwachen und Matten waren den Starken und Rohen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Die Luft war von pestilenzartigem Gestank erfüllt.«
Wegen solch aufwühlender Berichte begann eine neue Spezies von Wohltätern eine Reihe außergewöhnlicher Organisationen zu gründen: einen Ausschuss zur Beförderung der Einrichtung von Bädern und Waschhäusern für die arbeitenden Klassen, eine Gesellschaft zur Bekämpfung der Jugendlandstreicherei, eine Gesellschaft zur Förderung der Fensterbankgärtnerei unter den arbeitenden Klassen in Westminster, sogar eine Gesellschaft zur Rettung von Jungen, die noch nicht wegen eines kriminellen Vergehens verurteilt worden sind. Alle wollten den Armen helfen, nüchtern, christlich, fleißig, sauber, rechtschaffen, verantwortliche Eltern oder sonst wie tugendhaft zu werden oder zu bleiben. Andere Wohltäter versuchten die Wohnverhältnisse der Armen zu verbessern. Als einer der Großzügigsten erwies sich George Peabody, ein US-amerikanischer Geschäftsmann, der seinen Wohnort 1837 nach England verlegt hatte. (Er stellte, wie Sie sich vielleicht erinnern, die Mittel zur Verfügung, mit Hilfe derer die US-amerikanischen Ausstellungsstände bei der Londoner Weltausstellung 1851 errichtet und bestückt werden konnten.) Peabody verwandte einen großen Teil seines riesigen Vermögens darauf, überall in London Mietshäuser für die Armen zu bauen. In seinen Siedlungen bekamen mehr als fünfzehntausend Menschen saubere, vergleichsweise geräumige Wohnungen, wenn auch die strenge Hand des Patriarchen überall spürbar war. Die Mieter durften ihre Wohnungen weder anstreichen noch mit Tapete bekleben noch Gardinen aufhängen noch sie sonst wie persönlich gestalten. Viel heiterer als Gefängniszellen waren sie letztlich auch nicht.
Eklatant war der Wandel, der mit dem Anwachsen der christlichen Missionstätigkeit einherging, und das zeigte sich ganz besonders in den Bemühungen eines Mannes, der Kindern in Not mehr half als jeder andere vor ihm (oft, ob sie es wollten oder nicht). Er hieß Thomas Barnardo, war als junger Ire Anfang der 1860er Jahre nach London gekommen und derart entsetzt über die Lebensbedingungen schutzloser Jugendlicher, dass er eine Organisation gründete, die offiziell »Nationaler Verein für die Bekehrung mittelloser, obdachloser Kinder e.V.«, bald aber allgemein nur »Dr. Barnardo's« hieß.
Barnardos Herkunft war in gewisser Weise exotisch. Er kam aus einer Familie sephardischer Juden aus Spanien, die zuerst nach Deutschland und dann nach Irland zog. Als Thomas 1845 geboren wurde, hatte sich die Familie einer eher grimmigen Variante des Protestantismus zugewandt. Er selbst geriet unter den Einfluss der fundamentalistischen Plymouth-Brüder und kam zu
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