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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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waren den Behörden ein besonderer Dorn im Auge, ja, sie waren fast besessen davon, die Missetäter sowohl angemessen zu bestrafen als auch zu zwingen, für die Folgen ihres Tuns aufzukommen. Ein typischer Erlass eines Gerichts in Lancashire aus den späten 1660er Jahren lautet folgendermaßen:
    Jane Sotworth aus Wrightington, Jungfer, schwört, dass Richard Garstange aus Fazerkerley, Landwirt, der Vater von Alice, ihrem Bastard, ist. Sie soll das Kind zwei Jahre in ihrer Obhut haben, vorausgesetzt, sie bettelt nicht, und dann soll Richard das Kind in seine Obhut nehmen, bis es zwölf Jahre alt ist. Er soll Jane eine Kuh und sechs Shilling Geldes geben. Beide, er und sie, sollen heutigen Tages in Ormeskirke ausgepeitscht werden.
    Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts verschärfte sich das Problem der Armenfürsorge zur nationalen Krise. Die Kosten der Kriege gegen Napoleon hatten das Staatssäckel schon um einiges leichter gemacht, doch mit Beginn des Friedens wurde es noch schlimmer, weil dreihunderttausend Soldaten und Matrosen ins Zivilleben zurückkehrten und in einer schon angespannten wirtschaftlichen Lage Arbeit suchten.
    Allgemein tendierte man nun zu der Lösung, ein landesweites Netzwerk von Arbeitshäusern einzurichten, wo die Regeln überall gleich und einheitlich durchgesetzt werden sollten. Ein Ausschuss, dessen Sekretär der umtriebige Edwin Chadwick war, erwog die Angelegenheit mit der für das Zeitalter (und Chadwick) typischen Gründlichkeit und produzierte nach geraumer Zeit einen dreizehnbändigen Bericht. Konsens herrschte darin nur in einem einzigen Punkt: nämlich dass die neuen Arbeitshäuser so unangenehm wie möglich werden sollten, damit die Armen bloß nicht auf die Idee kamen, dort bleiben zu wollen. Einer, der als Experte vor dem Ausschuss auftrat, erzählte ein warnendes Beispiel, und weil es so typisch für die herrschende Meinung war, soll es hier in ganzer Länge zitiert werden:
    Ich erinnere mich an den Fall einer Familie namens Winde, die aus einem Mann, seiner Frau und fünf Kindern bestand. Vor ungefähr zwei Jahren waren der Vater, die Mutter und zwei Kinder sehr krank und gerieten in arge Bedrängnis, so dass sie genötigt waren, ihre wenigen Möbel zu verkaufen, um die Familie durchzubringen; sie wohnten in unserer Gemeinde, und als wir von ihrer so überaus misslichen Lage hörten, ging ich hin, um ihnen Hilfe anzubieten. Indes, sie lehnten die Hilfe energisch ab. Ich meldete dies dem Gemeindevorsteher, der beschloss, mich zu begleiten, und gemeinsam versuchten wir, die Familie zur Annahme der Hilfe zu bewegen; aber sie lehnten sie immer noch ab, und wir konnten sie nicht zwingen, unser Angebot anzunehmen. Wir nahmen aber einen solchen Anteil an dem Fall, dass wir ihnen 4 Shillinge in einem Päckchen mit einem Brief schickten, in dem wir sie baten, mehr Geld zu beantragen, wenn sie weiterhin krank wären; das taten sie, und von der Zeit an (das war vor zwei Jahren) bis heute sind, glaube ich, keine drei Wochen verstrichen, da sie nicht bei uns vorstellig geworden sind, obwohl seitdem selten oder nie mehr ein Familienmitglied krank gewesen ist. Wir haben diese Leute letztlich verdorben, da sie nicht mehr wie bisher zu Fleiß angehalten wurden; und ich zögere nicht zu behaupten, dass in neun von zehn Fällen das der bleibende Effekt ist, wenn die Armen erst einmal in den Genuss der Großzügigkeit der Gemeinde gekommen sind.
    Scheinheilig wetterte der Kommissionsbericht gegen diejenigen, »die Gemeindehilfe als ihr Privileg ansehen, ja, als ihr Recht verlangen«. Hilfe für die Armen sei so großzügig verfügbar, befanden die Ausschussmitglieder, dass »der Pauper den Eindruck hat, die Regierung betrachte es als ihre Aufgabe, die gewöhnlichen Gesetze der Natur zu seinen Gunsten außer Kraft zu setzen. Namentlich wird erwartet, dass die Kinder nicht für die Missetaten ihrer Eltern haften — die Frau nicht für die des Mannes, der Mann nicht für die der Frau — und niemand der Mittel für sein Wohlergehen verlustig gehen solle, ganz gleich wie groß Trägheit, Verschwendungssucht oder Lasterhaftigkeit auch sein mögen«. Mit an Paranoia grenzender Besessenheit fuhr der Bericht fort, der Gedanke sei nicht abwegig, dass ein armer Arbeiter sich mit Absicht an »seiner Gemeinde räche«, indem er heirate und Kinder zeuge, »um zur Überbevölkerung in seiner Gemeinde beizutragen, deren Mittel allmählich aufgezehrt sind, da sie ihn und alle anderen Arbeiter der Gemeinde

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