Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
so deplatziert empfunden wie wir heute einen Schrank an dieser Stelle. (Ein Grund für diese Verteilung der Möbel war übrigens, dass man in der Dunkelheit leichter durchs Zimmer fand und nicht in Möbel rannte.) Und da die Möbel ohnehin mit dem Rücken zur Wand standen, arbeitete man die Polstersessel und -stühle und Couchen hinten natürlich nicht so fein aus, ähnlich wie wir heute die Rücken von Kommoden und Schränken schlichter belassen.
Wenn man Besuch hatte, holte man im Übrigen die notwendige Anzahl Stühle herbei und stellte sie im Kreis oder Halbkreis auf, so wie heute beim »Morgenkreis« in der Grundschule. Das wiederum hatte beinahe zwangsläufig zur Folge, dass die Konversation verkrampft und gekünstelt wurde. Nachdem Horace Walpole einmal viereinhalb qualvolle Stunden in einem solchen Kreis mit dümmlichen Gesprächen verbracht hatte, erklärte er: »Wir erledigten Wind und Wetter, Oper und Schauspiel [...] und jedes Thema, das man in einem formalen Kreis erledigen kann.« Doch als eine wagemutige Gastgeberin versuchte, etwas Spontaneität in die Sache zu bringen, indem sie die Stühle zu informelleren Gruppen von dreien oder vieren anordnete, meinten viele Gäste, das sei ein Höllenchaos, und viele konnten sich schon gar nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ein Gespräch hinter ihrem Rücken stattfand.
Das Hauptproblem mit den Stühlen aus der damaligen Zeit war zweifellos, dass sie schrecklich unbequem waren. Die auf der Hand liegende Lösung, sie zu polstern, erwies sich als schwieriger, als man meinen würde, weil nur wenige Handwerker über die Fähigkeiten verfügten, einen guten Polsterstuhl zu machen. Die Hersteller probierten alles Erdenkliche, um dort, wo Holz und Stoff zusammentrafen, rechtwinklige Ecken hinzukriegen, und wussten oft nicht, was sie tun sollten, um ein Polstersitzmöbel so zu bauen, dass es seine schön gewölbte Sitzfläche behielt.
Nur Sattler konnten zuverlässig das notwendige strapazierfähige Material bieten, und deshalb haben so viele der ersten Polstermöbel einen Lederbezug. Für Polsterer, die Stoff benutzten, kam erschwerend hinzu, dass im vorindustriellen Zeitalter viele Stoffe nur in Breiten von etwa sechzig Zentimetern produziert werden konnten, was hieß, dass sie an heiklen Stellen Nähte anbringen mussten. Erst nachdem John Kay den Schnellschützen (ein fliegendes Weberschiffchen) erfunden hatte, konnte man Stoffe in Breiten von neunzig Zentimetern weben.
Die technischen Verbesserungen in der Textil- und Druckindustrie verwandelten die häuslichen Dekorationsmöglichkeiten noch einmal über das Mobiliar hinaus. Das Zeitalter der Teppiche, Tapeten und leuchtenden Farben brach an. Zum ersten Mal bekam man Farbe in einem breiten Spektrum satter Töne. Infolgedessen nahmen die Häuser vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts oft ein Aussehen an, das noch ein Jahrhundert zuvor als maßlos und total übertrieben gegolten hätte. Langsam bildete sich das moderne Haus heraus, eines, das uns bekannt vorkommen würde. Fast vierzehnhundert Jahre nachdem die Römer Britannien verlassen und ihre heißen Bäder, Polstersofas und Zentralheizungen mitgenommen hatten, entdeckten die Briten endlich wieder, dass man doch ganz angenehm leben konnte. Es sich rundum bequem zu machen schafften sie zwar immer noch nicht, doch von den neuen Verlockungen konnten sie sich immerhin eine Vorstellung machen.
Dass man nun immer mehr Polstermöbel benutzte, die viel anfälliger für Flecken, Brandflecken und die Folgen sonstigen Missbrauchs waren, führte bei dem Versuch, die wertvollsten Möbelstücke vor den schlimmsten Gefahren zu bewahren, zur Schaffung eines neuen Zimmertyps. Es ist gleich nebenan, und dorthin wollen wir uns jetzt begeben.
Achtes Kapitel
Das Esszimmer
I.
Als Mr. Marsham sein Haus bauen ließ, wäre es für einen Mann in seiner Position undenkbar gewesen, kein separates Esszimmer zu haben, in dem er Gäste bewirtete, doch wie formal und wie groß und ob vorn im Haus oder hinten, wollte gut überlegt sein, denn Esszimmer waren immer noch so neu, dass ihre Ausmaße und ihre Lage nicht von vornherein feststanden. Schlussendlich beschloss Mr. Marsham, wie wir schon gesehen haben, auf einen Raum für die Dienstboten zu verzichten und sich ein neun Meter langes Esszimmer zu gönnen — groß genug für achtzehn, zwanzig Gäste, eine Menge für einen Landpfarrer. Selbst wenn er häufig Gäste einlud, was offenbar der Fall war, muss er sich an den Abenden, an
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