Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
als dreißig Gramm gesalzener Erdnüsse? Oder dass der Salzanteil in einer Dose Suppe — einerlei, welcher — die empfohlene Tagesmenge Salz für einen Erwachsenen bei Weitem überschreitet?
Archäologische Funde beweisen, dass die Menschen an Salzmangel litten, kaum dass sie sesshaft wurden. Und weil ihnen das noch nie passiert war, mussten sie große Anstrengungen unternehmen, Salz zu finden und es in ihre Ernährung zu bringen. Eines der großen Geheimnisse in der Geschichte ist, woher sie wussten, dass das nötig war, denn der Mangel an Salz bringt kein Verlangen danach hervor. Man fühlt sich schlecht und stirbt schließlich auch — ohne das Chlor im Salz hören die Zellen auf zu arbeiten wie ein Motor ohne Brennstoff —, doch würde niemals jemand denken: »0 Mann, ein bisschen Salz wäre jetzt genau das
*Mit dem Natriumchlorid verhält es sich auch kurios, denn es besteht aus zwei extrem aggressiven Elementen: Natrium und Chlor, den Hell's Angels der Mineralienwelt. Werfen Sie einen Klumpen reines Natrium in einen Eimer mit Wasser, und es explodiert mit einer solchen Kraft, dass Sie dabei draufgehen können. Chlor ist noch tödlicher. Es wurde im Ersten Weltkrieg erstmals als chemische Waffe eingesetzt, und dass einem die Augen brennen, wenn man beim Schwimmen in sehr verdünnter Form damit in Berührung kommt, ist bekannt. Bringt man die beiden explosiven Elemente aber zusammen, kriegt man harmloses Natriumchlorid, wie gesagt, gemeines Kochsalz.
Richtige.« Woher die Menschen also wussten, dass sie es suchen mussten, ist eine interessante Frage, besonders, weil es an manchen Orten dazu schon einer gewissen Findigkeit bedurfte. Die alten Briten erhitzten Stöcke am Strand, tauchten sie ins Meer und kratzten das Salz herunter. Die Azteken gewannen Salz, indem sie ihren eigenen Urin verdunsten ließen. So was macht man ja nicht intuitiv. Doch der unbewusste Drang, Salz in die Nahrung zu bekommen, ist offenbar sehr stark und noch dazu universell. Jede Gesellschaft auf der Welt, in der reichlich Salz zur Verfügung steht, konsumiert im Durchschnitt vierzig Mal so viel, wie man zum Leben braucht. Wir kriegen einfach den Hals nicht voll.
Heute ist Salz so allüberall zu haben und billig, dass wir vergessen, wie teuer und begehrt es einst war und dass es über Jahrhunderte Männer bis ans Ende der Welt getrieben hat. Man brauchte es, um Fleisch und andere Nahrungsmittel zu konservieren, und zwar in riesigen Mengen: 1513 ließ Heinrich VIII. für einen Feldzug 25 000 Ochsen schlachten und einsalzen. Salz war also auch militärstrategisch eminent wichtig. Im Mittelalter transportierten Karawanen von bis zu vierzigtausend Kamelen und über einhundert Kilometern Länge, Salz durch die Sahara, von Timbuktu zu den geschäftigen Märkten am Mittelmeer. Die Menschen haben Kriege darum geführt und sind seinetwegen in die Sklaverei verkauft worden. Es hat großes Leid verursacht.
Doch das ist nichts im Vergleich zu der mörderischen Habgier, die die Menschen antrieb, die schlimmsten Entbehrungen auf sich zu nehmen und viel Blut zu vergießen, um sich in den Besitz verschiedenster Mini-Viktualien zu bringen, die wir überhaupt nicht brauchen und ohne die wir sehr wohl leben können. Ich meine die Ergänzungen zum Salz: die Gewürze.* Niemand würde ohne Gewürze sterben, doch viele sind um ihretwillen gestorben.
*Der Unterschied zwischen Gewürzen und Kräutern besteht darin, dass die Kräuter von den Blättern der Pflanzen stammen und die Gewürze vom Holz, den Samen, den Früchten oder anderen Teilen, außer den Blättern.
Ein Großteil der Geschichte der modernen Welt ist die Geschichte der Gewürze, und die fängt mit einer unscheinbaren Kletterpflanze an, die einstmals nur an der Malabarküste Britisch Indiens wuchs. Sie heißt Piper nigrum. Wenn Sie sie in ihrem natürlichen Zustand sehen würden, würden Sie große Mühe haben, ihre Bedeutung zu erraten, aber an ihr wachsen alle drei beziehungsweise vier »echten« Pfeffersorten, der Schwarze, Weiße, Grüne und (der seltenere) Rote. Die harten runden Pfefferkörnchen, die wir in unsere Haushaltspfeffermühlen packen, sind die getrockneten, winzigen Früchte der Pflanzen, schön knackig zum Draufbeißen. Verschieden sind die Pfefferkörner deshalb, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten geerntet und unterschiedlich verarbeitet werden.
Seit unvordenklichen Zeiten war Pfeffer in seinem Heimatland beliebt, doch die Römer machten ihn erst zum internationalen
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