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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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der Seefahrt beherrschte, war er in vielem anderen nicht so firm und besonders mies in Geografie, was doch für einen Entdecker eigentlich unabdingbar sein müsste. Es ist schwer, eine historische Gestalt zu nennen, die mit weniger Kompetenz anhaltenderen Ruhm errang. Kolumbus verbrachte über eine Spanne von acht Jahren viel Zeit damit, um die karibischen Inseln herum und an den Nordküsten Südamerikas entlangzuschippern, und war die ganze Zeit überzeugt, dass er mitten im Orient war und Japan und China hinter jedem Sonnenuntergang lagen. Er kapierte nicht, dass Kuba eine Insel ist, und setzte nie den Fuß auf die Landmasse im Norden — ja, ahnte gar nichts von deren Existenz —, von der alle meinen, er habe sie entdeckt: Nordamerika. Er füllte die Frachträume seiner Schiffe mit Eisenkies, den er für Gold hielt, und mit Dingen, die er, nicht minder zuversichtlich, für Zimt und Pfeffer hielt. Der Zimt war wertlose Baumrinde und der Pfeffer kein echter Pfeffer, sondern Chilischoten — exzellent, wenn man in etwa ahnt, um was es sich handelt, aber ein Knaller, wenn man zum ersten Mal herzhaft hineinbeißt und einem die Tränen in die Augen schießen.
    Alle außer Kolumbus kapierten, dass man das Gewürzproblem noch nicht zufriedenstellend gelöst hatte, und so beschloss Vasco da Gama in portugiesischen Diensten 1497 den anderen Weg nach dem Orient zu nehmen, um das südliche Ende von Afrika. Das Unterfangen war kniffliger, als es klingt. Die vorherrschenden Gegenwinde und Strömungen erlaubten es einem nach Süden segelnden Schiff nicht, einfach nur der Küstenlinie zu folgen, wie man es gemeinhin logisch fände. Nein, Vasco da Gama musste weit in den Atlantischen Ozean hinaussegeln — bis fast nach Brasilien, obwohl er nicht wusste, dass es da lag —, um westliche Winde zu erwischen, die seine Flotte um das südliche Kap bliesen. Es war also eine wahrhaft heroische Fahrt. So weit waren Europäer noch nie gesegelt. Die Besatzung sah geschlagene drei Monate kein Land, und es trat zum ersten Mal Skorbut auf. Frühere Seefahrten waren nie so lang gewesen, dass sich die Symptome von Skorbut hatten entwickeln können.
    Mit Vasco da Gamas Fahrt begannen zwei weitere unselige Phänomene um sich zu greifen. Erstens wurde die Syphilis — nur fünf Jahre nachdem Kolumbus' Männer sie aus Mittelamerika mitgebracht hatten — nach Asien eingeschleppt und damit zur wahrhaft weltweiten Seuche. Zweitens begann man, wie beiläufig, extrem brutale Gewalt gegenüber unschuldigen Menschen anzuwenden. Vasco da Gama war ein unglaublich grausamer Mann. Einmal kaperte er ein muslimisches Schiff mit Hunderten Männern, Frauen und Kindern, schloss Passagiere und Mannschaft in die Frachträume ein, nahm alles, was er für wertvoll befand, mit und steckte — ohne jeden Grund, entsetzlich! — das Schiff in Brand. Fast überall, wo er einen Fuß an Land setzte, malträ- tierte er die Menschen aufs Schlimmste oder schlachtete sie ab. Er brachte einen Argwohn und eine Brutalität mit, die das gesamte Zeitalter der Entdeckungen prägen und diskreditieren.
    Vasco da Gama kam nie bis zu den Gewürzinseln. Wie die meisten anderen dachte auch er, die Ostindischen Inseln lägen nur ein wenig östlich von Indien — deshalb nannte man sie ja auch so —, doch es stellte sich heraus, dass sie weit, weit hinter Indien lagen, ja so weit, dass die Europäer, die sie erreichten, sich fragten, ob sie fast die gesamte Erde umrundet hätten und bald zurück in Amerika wären. Wenn das nämlich zutraf, konnte man sich den Gewürz-Trip nach Indien wesentlich leichter machen und nach Westen segeln, an den neuen Ländern vorbei, die Kolumbus gerade entdeckt hatte, und sich den weiten Weg um Afrika und über den Indischen Ozean sparen.
    1519 brach Ferdinand Magellan mit fünf halb lecken Schiffen zu einer mutigen, aber ernsthaft unterfinanzierten Expedition auf, um eine westliche Route zu finden. Er entdeckte, dass sich zwischen dem amerikanischen Doppelkontinent und Asien eine viel größere Leere auftat, als man sie je auf der Erde für möglich gehalten hätte: der Pazifische Ozean. Auf der Suche nach Reichtum ertrugen auch Ferdinand Magellan und seine Mannschaften Torturen, die alles Menschenerdenkliche überstiegen. Als sie 1521 über den Pazifik segelten, immer weniger glauben konnten, dass sie irgendwann einmal irgendwo ankommen würden, und ihre Vorräte so gut wie erschöpft waren, erfanden sie ein Gericht, das wohl nur der Hunger hineinzwingt:

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