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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Handelsgut. Sie liebten Pfeffer. Sie pfefferten sogar ihre Desserts. Dadurch verlor das Gewürz nie seinen Wert, und der Preis blieb hoch. Die Händler im Fernen Osten konnten ihr Glück nicht fassen. »Sie kommen mit Gold und gehen mit Pfeffer«, sagte ein tamilischer Kaufmann voller Verwunderung. Als die Goten im Jahre 408 Rom plündern wollten, kauften sich die Römer mit einer Tributzahlung frei, in der auch dreitausend Pfund Pfeffer enthalten waren. Herzog Karl von Burgund orderte 1468 etwa dreihundertdfünfzig Pfund schwarzen Pfeffer für sein Hochzeitsmahl, viel mehr als selbst die größte Hochzeitsgesellschaft hätte verspeisen können, und stellte ihn an prominenter Stelle aus, damit die Leute sehen konnten, wie sagenhaft reich er war.
    Übrigens hält die uralte Meinung, dass man Gewürze benutzte, um zu übertünchen, dass das Essen schon halb verrottet war, keiner genaueren Untersuchung stand. Bei den Leuten, die sich die meisten Gewürze leisten konnten, war es am wenigsten wahrscheinlich, dass sie schlecht gewordenes Fleisch verzehrten. Ohnehin waren Gewürze zu kostbar, um damit »anrüchiges« Essen zu tarnen. Wenn die Leute Gewürze hatten, verwendeten sie sie sorgfältig und sparsam und nicht als aromatisches Ablenkungsmittel.
    Pfeffer machte etwa siebzig Prozent des Massengeschäfts mit Gewürzen aus, doch allmählich fanden auch andere Güter aus noch weiterer Ferne den Weg nach Europa und waren sogar noch kostbarer — Muskatnuss und Muskatblüte (Erstere ist der Samen des Baums, Letztere der Samenmantel), Zimt, Ingwer, Nelken und Kurkuma ebenso wie mehrere nun weitgehend vergessene Exoten wie Kalmus, Asant, Ajowan, Galgant und die Zitwerwurzel. Jahrhundertelang waren Gewürze nicht nur die wertvollsten Lebensmittel, sie waren die kostbarsten Waren überhaupt. Die Gewürzinseln, weit versteckt im Fernen Osten, waren so begehrt und prestigeträchtig, dass Jakob I. den Erwerb zweier kleiner Eilande als Coup präsentierte und sich stolz »König von England, Schottland, Irland, Frankreich, Puloway und Puloroon« nannte.
    Muskatnüsse und Muskatblüte waren die teuersten, weil sie so extrem selten waren. * Beide kamen von einem Baum, Myristica fragrans, von den unteren Hängen von gerade mal neun kleinen Vulkaninseln, heute in Indonesien, die sich inmitten eines Meers von Inseln, von denen aber keine den richtigen Boden und das Mikroklima für den Muskatnussbaum hat, steil aus der Bandasee erheben. Gewürznelken, die getrockneten Blütenknospen des Gewürznelkenbaums, eines Myrtengewächses, wuchsen auf sechs ähnlich exklusiven Inseln, fast dreihundert Kilometer entfernt. Sie waren Teil einer Inselkette, die in der Geografie heute als die Molukken bekannt sind, in der Geschichte aber als die Gewürzinseln. Um das Ganze in die richtige Perspektive zu rücken: Der Indonesische Archipel besteht aus sechzehntausend Inseln auf fast zwei Millionen Quadratkilometern Meer, deshalb ist es kein
    * Muskatblüte war sogar noch rarer als Muskatnuss. Während jährlich etwa tausend Tonnen Muskatnuss geerntet wurden, waren es nur etwa hundertTonnen Muskatblüte (was logisch ist, wenn man bedenkt, dass die Blüten leichter sind als die Nüsse).
    Wunder, dass die Lage von fünfzehn davon für die Europäer so lange ein Geheimnis blieb.
    Alle Gewürze erreichten Europa über eine komplizierte Kette von Händlern, von denen natürlich jeder seinen Anteil verdienen wollte. Wenn dann Muskatnuss und Muskatblüte die europäischen Märkte erreichten, bekam man für sie etwa sechzigtausend Mal so viel, wie sie im Fernen Osten gekostet hatten. Da war es zwangsläufig eine Frage der Zeit, bis diejenigen am Ende der Verkaufskette auf den Trichter kamen, dass es viel lukrativer sei, die Zwischenstationen auszuschalten und die Profite gleich am Ursprungsort einzustreichen.
    Das große Zeitalter der Entdeckungsfahrten begann. Christoph Kolumbus ist von den frühen Entdeckern der bekannteste, aber er war nicht der erste. 1487, also fünf Jahre vor ihm, brachen Fernäo Dulmo und Joäo Estreito von Portugal aus in den unerforschten Atlantik auf. Nach vierzig Tagen, das heißt, wenn sie bis dahin nichts gefunden hätten, schworen sie zurückzukehren. Sie wurden nie wiedergesehen. Es stellte sich nämlich heraus, dass es keineswegs leicht war, die richtigen Winde zu finden, die einen zurück nach Europa brachten. Kolumbus' eigentliche Leistung war es dann auch, den Ozean in beiden Richtungen zu überqueren. Obwohl er die hohe Kunst

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