Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
Rattenkot mit Holzspänen. »Wir aßen Zwieback, der kein Zwieback mehr war, sondern Zwiebackpulver, in dem es von Würmern wimmelte, und der heftig nach Rattenurin stank«, notierte ein Mannschaftsmitglied. »Wir tranken gelbes Wasser, das schon viele Tage lang faulig war. Wir aßen auch ein wenig von dem Ochsenleder, mit dem die Großrah bedeckt war [...], und oft aßen wir Sägemehl von den Planken.« Sie fuhren drei Monate und zwanzig Tage ohne frisches Essen oder frisches Wasser, bis sie endlich in Guam eine Küste und Hilfe fanden — und das alles nur wegen des Wunsches, die Frachträume der Schiffe mit getrockneten Blütenknospen, einem bisschen Baumrinde und aromatischem Abgeschabten zu füllen, die man auf Essen streuen und zu Duftkissen verarbeiten konnte.
Nur achtzehn von zweihundertsechzig Männern überlebten die Reise. Magellan selbst fand sein Ende in einem Scharmützel mit Einwohnern auf der Insel Mactan, die zu den philippinischen gehörte. Aber die überlebenden Achtzehn verdienten gut. Auf den Gewürzinseln luden sie knapp 50 000 Pfund Nelken an Bord, die sie in Europa mit einem Profit von 2500 Prozent verkauften, und waren ganz nebenbei auch die ersten Menschen, die den ganzen Globus umsegelt hatten. Die eigentliche Bedeutung von Magellans Fahrt lag aber nicht darin, dass man zum ersten Mal den Planeten Erde umrundete, sondern, dass man zum ersten Mal begriff, wie groß er wirklich war.
Obwohl Kolumbus meist keinen blassen Schimmer hatte, was er tat, erwiesen sich letztlich seine Fahrten als die wichtigsten. Außerdem können wir bei ihm den Zeitpunkt präzise benennen, an dem er seine Entdeckung machte. Am fünften November 1492 kehrten zwei seiner Besatzungsmitglieder von einem Landgang auf Kuba mit etwas zurück, das noch niemand aus ihrer Welt gesehen hatte, »eine Art Korn, [das die Eingeborenen] >maiz< nennen und das sehr sehmackhaft war; gebacken, getrocknet oder zu Mehl gemahlen«. In derselben Woche sahen sie ein paar TainoIndianer, die sich Röhren mit schwelendem Kraut in den Mund steckten, den Rauch tief inhalierten und darob große Befriedigung zeigten. Auch von diesem komischen Zeug nahm Kolumbus etwas mit nach Hause.
Und so begann der Prozess, den die Anthropologen als Columbia n Exchange bezeichnen, der Transfer von Nahrungsmitteln, Pflanzen und Tieren aus der Neuen Welt in die Alte und umgekehrt. Als die ersten Europäer in der Neuen Welt ankamen, ernteten die Bauern dort mehr als einhundert essbare Pflanzen — Kartoffeln, Tomaten, Sonnenblumen, unendlich viele verschiedene Kürbisse, Auberginen, Avocados, Süßkartoffeln, Erdnüsse, Cashewnüsse, Ananas, Papaya, Guaven, Jamswurzeln, Maniok, Vanille, vier Arten Chilischoten, Kakaobohnen und vieles andere mehr — ein Wahnsinn.
Heute schätzt man, dass sechzig Prozent aller Feldfrüchte, die auf der Welt angebaut werden, vom amerikanischen Doppelkontinent stammen. Und sie wurden den neuen Küchen nicht bloß einverleibt — ohne sie gäbe es diese nicht! Stellen Sie sich italienisches Essen ohne Tomaten vor, griechisches ohne Auberginen, thailändisches und indonesisches ohne Erdnusssoße, Currys ohne Chilischoten, Hamburger ohne Pommes frites und Ketchup, afrikanisches Essen ohne Maniok. In fast allen Ländern in Ost und West kam durch die Nahrungsmittel aus Amerika ein deutlich verbessertes Angebot auf den Tisch.
Das konnte damals natürlich keiner vorhersehen. Die Ironie der Geschichte war, dass die Europäer die Nahrungsmittel, die sie vorfanden, eigentlich nicht wollten, während sie die, die sie wollten, nicht fanden. Sie wollten Gewürze, doch in der Neuen Welt herrschte daran leider Mangel, bis auf die Chilis, die sie anfangs erschreckten und die sie zu feurig für ihren Gaumen fanden. Viele Nahrungsmittel mit großem Potential erregten überhaupt kein Interesse. Die indigene Bevölkerung von Peru hatte einhundertfünfzig verschiedene Kartoffelsorten und schätzte sie alle. Ein Inka hätte vor fünfhundert Jahren Kartoffelsorten ähnlich voneinander unterscheiden können wie ein moderner Weinsnob Trauben. Im Quechua gibt es immer noch eintausend Worte für verschiedene Arten oder auch Qualitäten von Kartoffeln. Hanta ist zum Beispiel eine, die lange gelagert, aber trotzdem noch essbar ist. Die Konquistadoren brachten nur wenige Sorten mit nach Hause und nach Ansicht vieler Leute nicht einmal die leckersten. Weiter im Norden hegten die Azteken eine große Liebe zu Amarant, einem Getreide, aus dem man nahrhafte,
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