Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
und das Finanzgespür des Königs. Dies war einer der entscheidenden Gründe, warum die überseeischen Besitzungen Frankreichs in britische Hände fielen. Während die Briten leicht und zu niedrigen Zinsen Geld aufnehmen konnten, hatten die Franzosen Schwierigkeiten, überhaupt Kredite zu bekommen, und mussten hohe Zinsen zahlen. Um den wachsenden Schuldenberg zu bedienen, musste der französische König immer neue Schulden zu immer höheren Zinsen aufnehmen. In den 1780er Jahren musste Ludwig XVI. , der nach dem Tod seines Großvaters den Thron bestiegen hatte, die Hälfte der staatlichen Einnahmen für den Schuldendienst verwenden und schlitterte auf den Staatsbankrott zu. Widerwillig berief er 1789 die Generalstände ein (das Parlament, das seit anderthalb Jahrhunderten nicht mehr zusammengekommen war), um eine Lösung für die Krise zu finden. So begann die Französische Revolution.
Während sich das französische Kolonialreich auflöste, erlebte das Britische Weltreich einen unaufhaltsamen Aufstieg. Wie das Niederländische Reich vor ihm, ruhte das British Empire weitgehend auf den Schultern von Aktiengesellschaften, die ihren Sitz an der Londoner Börse hatten. Die ersten britischen Kolonien in Nordamerika wurden Anfang des 17. Jahrhunderts von Aktiengesellschaften wie der London Company, der Plymouth Company, der Dorchester Company und der Massachusetts Company gegründet.
Auch der indische Subkontinent wurde nicht vom britischen Staat erobert, sondern von einer Söldnerarmee der British East India Company . Diese Aktiengesellschaft stellte sogar die VOC in den Schatten. Von ihrem Hauptquartier in der Leadenhall Street in London herrschte sie mehr als ein Jahrhundert lang über ein gewaltiges indisches Reich und unterhielt ein Heer, das mit 350000 Soldaten größer war als das der britischen Krone. Erst im Jahr 1858 wurde Indien zusammen mit der Armee des Unternehmens »verstaatlicht«. Napoleon mokierte sich über die Briten und nannte sie eine Nation von Krämern. Doch am Ende besiegten diese Krämer Napoleon und gründeten das größte Weltreich aller Zeiten.
Im Namen des Kapitals
Die Verstaatlichung der indonesischen Kolonien durch den niederländischen und der indischen Kolonien durch den britischen Staat markierte keineswegs das Ende der Verflechtungen zwischen Kapitalismus und Imperialismus. Im Gegenteil, im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde diese Beziehung immer enger. Aktiengesellschaften mussten keine Privatkolonien mehr errichten und verwalten, denn sie hielten nun in London, Amsterdam und Paris die Zügel der Regierung in der Hand. Sie konnten sich blind darauf verlassen, dass der Staat in ihrem Sinne handelte. Den westlichen Regierungen wurde vorgeworfen, sie seien nichts weiter als die Handlanger der Kapitalisten.
Ein besonders infames Beispiel ist der erste Opiumkrieg zwischen Großbritannien und China, der von 1840 bis 1842 dauerte. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdienten die Britische Ostindiengesellschaft und die Geschäftsleute der Insel ein Vermögen mit dem Verkauf von Drogen nach China. Millionen von Chinesen wurden opiumsüchtig und China erlitt gewaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden. Ende der 1830er Jahre verbot die chinesische Regierung den Drogenhandel. Da die britischen Drogenhändler das Verbot einfach ignorierten, begannen die chinesischen Behörden damit, die Rauschmittel zu beschlagnahmen und zu vernichten. Die Drogenkartelle hatten jedoch beste Beziehungen zur britischen Regierung und setzten diese unter Druck. Viele Abgeordnete und Minister waren sogar Aktionäre der Drogenhändler. Sie drängten die Regierung zum Handeln.
Im Jahr 1840 erklärte Großbritannien China im Namen des »Freihandels« den Krieg. Es war ein Kinderspiel. Die selbstbewussten Chinesen hatten den neuen Wunderwaffen der Briten – den Dampfschiffen, schweren Geschützen und Schnellfeuergewehren – nichts entgegenzusetzen. Im folgenden Friedensvertrag erklärten sich die Chinesen bereit, die Aktivitäten der britischen Drogenhändler nicht weiter zu behindern. Sie zahlten sogar noch Reparationen für den wirtschaftlichen Schaden, den die chinesische Polizei bei der Vernichtung der Drogen angerichtet hatte, und überließen den Briten Hongkong, das den Drogenhändlern fortan als sicherer Stützpunkt diente. (Hongkong blieb bis 1999 in britischer Hand.) Ende des 19. Jahrhunderts waren rund 40 Millionen Chinesen (rund 10 Prozent der damaligen Bevölkerung) opiumsüchtig.
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