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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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zahlreichen psychischen Probleme zu leiden haben, dann liege das daran, dass wir entgegen unserer eigentlichen Natur in Kleinfamilien und monogame Beziehungen gesperrt würden. Diese Lebensform sei schlicht unvereinbar mit unserer biologischen Software. 8
    Andere Forscher widersprechen dieser Theorie vehement. Sie behaupten, Kleinfamilien und Monogamie seien sehr wohl fest in der menschlichen Natur verankert. Die Gemeinschaften der Jäger und Sammler seien zwar egalitärer und kommunistischer gewesen als unsere heutigen Gesellschaften, doch schon damals seien die kleinsten Einheiten eifersüchtige Paare mit ihren jeweiligen Kindern gewesen. Das sei auch der Grund, warum die meisten Gesellschaften bis heute Kleinfamilien und monogame Beziehungen bevorzugen, warum sich Frauen und Männer so besitzergreifend gegenüber ihren Partnern und Kindern verhielten, und warum in Staaten wie Nordkorea oder Syrien die politische Macht nach wie vor vom Vater auf den Sohn übergehe.
    Um herauszufinden, wer in diesem Streit Recht haben könnte, und um unsere moderne Gesellschaft, Politik und Sexualität besser zu verstehen, wollen wir uns das Leben unserer jagenden und sammelnden Vorfahren genauer ansehen.
    *
    Leider gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse über das Leben unserer steinzeitlichen Vorfahren. Die Vertreter der Theorie der »Ur-Kommune« haben genauso wenig handfeste Beweise für ihre Thesen wie die Verfechter der »ewigen Monogamie«. Es gibt keine schriftlichen Überlieferungen aus der Zeit der Jäger und Sammler, und die archäologischen Überreste sind vor allem Knochen und Steinwerkzeuge. Erzeugnisse aus vergänglicheren Materialien wie Holz, Bambus oder Leder haben nur in Ausnahmefällen überlebt. Schon die Vorstellung, dass die Menschen vor der Erfindung der Landwirtschaft in der »Steinzeit« lebten, ist im Grunde ein Irrtum, der auf diesen archäologischen Funden beruht. Genau genommen lebten die Urmenschen nämlich in der »Holzzeit«, denn aus diesem Material stellten sie die meisten ihrer Werkzeuge her. Wenn wir fast ausschließlich Steinwerkzeuge gefunden haben, dann liegt das daran, dass Stein dem Zahn der Zeit besser widersteht als Holz.
    Es wäre vermessen zu glauben, dass wir das Leben der Jäger und Sammler anhand der wenigen Gegenstände rekonstruieren könnten, die sie hinterlassen haben. Im Gegensatz zu ihren Nachfahren der Agrar- und Industriegesellschaft hatten die Wildbeuter so gut wie keinen Besitz, und Dinge spielten in ihrem Leben nur eine sehr untergeordnete Rolle. Als Angehörige von modernen Industriegesellschaften besitzen wir im Laufe unseres Lebens Abermillionen von Gegenständen, angefangen von Milchtüten und Windeln bis zu Autos und Häusern. Es gibt kaum eine Tätigkeit, oder Glaubensvorstellung und sogar kaum ein Gefühl, für das wir keine Requisiten benötigen. Allein zum Essen brauchen wir eine verwirrende Anzahl von Gegenständen, und zwar nicht nur Teller und Löffel, sondern auch Genlabors oder Containerschiffe. Für unsere Freizeitbeschäftigungen habe wir eine unüberschaubare Vielfalt von Spielsachen erfunden, angefangen von Spielkarten bis hin zu Fußballstadien mit 100000 Plätzen. Zu unserem Liebesleben gehören Ringe, Betten, modische Kleidung, Reizwäsche, Kondome, Abendessen bei Kerzenschein, billige Hotels, Partnervermittlungen, Hochzeitssäle und Catering-Unternehmen. Moderne Religionen vermitteln uns ihre Götter mithilfe von Kirchen, Moscheen, Aschrams, Torahrollen, Gebetsrädern, Priestergewändern, Kerzen, Weihrauch, Weihnachtsbäumen, Matzebällchen, Grabsteinen und Heiligenbildchen.
    Wie sehr wir unser Leben mit Gegenständen zugerümpelt haben, bemerken wir normalerweise erst, wenn wir umziehen. Die Jäger und Sammler zogen fast jeden Tag um und mussten alles, was sie mitnehmen wollten, selbst schleppen. Sie hatten keine Speditionen, Lastwagen und nicht einmal Lasttiere, die ihnen die Bürde abgenommen hätten. Daher begnügten sie sich buchstäblich mit einer Handvoll von Gegenständen und kamen bei den meisten Tätigkeiten, Glaubensvorstellungen und Gefühlen ganz ohne aus. Wenn Archäologen der fernen Zukunft unser heutiges Leben rekonstruieren wollten, dann müssten sie sich nur unseren Wohlstandsmüll ansehen. Aber wenn wir versuchen wollten, die Welt der Wildbeuter anhand der Gegenstände zu verstehen, die sie verwendeten, dann stehen wir von einem Rätsel.
    Wenn wir das Schwergewicht auf die Untersuchung von Gegenständen legen, erhalten wir also ein

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