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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Wohlstandsgesellschaft
    Sollte es nicht trotzdem möglich sein, einige allgemeine Aussagen darüber zu treffen, wie das Leben vor der Erfindung der Landwirtschaft ausgesehen haben könnte? Jedenfalls scheint festzustehen, dass die allermeisten Menschen in kleinen Gruppen von einigen Dutzend bis wenigen Hundert Personen lebten, und dass diesen Gruppen ausschließlich Menschen angehörten. Letzteres mag offensichtlich klingen, doch das ist es keineswegs. Die meisten Angehörigen von Agrar- und Industriegesellschaften sind nämlich Haustiere. Sie haben zwar nicht dieselben Rechte, doch sie gehören zweifelsfrei zu diesen Gesellschaften. Die Bevölkerung von Neuseeland besteht beispielsweise aus 4,5 Millionen Sapiens und 50 Millionen Schafen.
    Von dieser Regel gibt es allerdings eine Ausnahme: Hunde. Der Hund war das erste Tier, das der Homo sapiens bei sich aufnahm, und zwar lange vor der landwirtschaftlichen Revolution. Experten sind sich nicht ganz einig, wann genau das passiert sein könnte, doch die ersten sicheren Hinweise auf die Existenz von Haushunden sind etwa 15000 Jahre alt. Es ist gut denkbar, dass sich die Hunde dem menschlichen Rudel schon einige Jahrtausende oder Jahrzehntausende früher anschlossen.
    Hunde wurden zur Jagd und im Kampf eingesetzt, sie warnten vor wilden Tieren und menschlichen Eindringlingen. Zwischen Hund und Mensch entstand ein Band des Verständnisses und der Zuneigung, das auf Gegenseitigkeit beruhte. Manchmal wurden Hunde ähnlich rituell bestattet wie Menschen. Im Laufe von vielen Generationen entwickelten sich Hunde und Menschen gemeinsam und lernten, miteinander zu kommunizieren. Diejenigen Hunde, die sich am besten auf die Bedürfnisse und Gefühle ihrer menschlichen Begleiter einstellten, erhielten mehr Zuwendung und Futter und vermehrten sich besser. Gleichzeitig lernten Hunde, die Menschen so zu manipulieren, wie es ihren Bedürfnissen entsprach. Nach einem 15000 Jahre dauernden emotionalen Rüstungswettlauf hat der Mensch eine tiefere emotionale Beziehung zum Hund als zu irgendeinem anderen Tier entwickelt.
    Die Angehörigen einer Gruppe kannten einander bestens und waren ein Leben lang von Verwandten und Freunden umgeben. Einsamkeit und Privatsphäre waren weitgehend unbekannt. Benachbarte Gruppen konkurrierten vermutlich um Ressourcen und bekämpften einander, aber daneben hatten sie wahrscheinlich auch freundschaftliche Kontakte. Sie tauschten Angehörige aus, jagten gemeinsam, handelten mit seltenen Ressourcen, gingen Bündnisse ein und feierten religiöse Feste. Diese Zusammenarbeit war eines der wichtigsten Merkmale des Homo sapiens , und ihr verdankte er einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Menschenarten. Manchmal waren die Bande zwischen benachbarten Gruppierungen so eng, dass sie einen Stamm bildeten, dieselbe Sprache sprachen und gemeinsame Mythen, Normen und Werte hatten.

    6. Das erste Haustier? Ein 12000 Jahre altes Grab aus dem Norden Israels (Kibbutz Ma‘ayan Baruch Museum). Darin liegt das Skelett einer etwa fünfzig Jahre alten Frau neben dem eines Hundewelpen (oben rechts). Der Welpe wurde neben dem Kopf der Frau beigesetzt. Ihre linke Hand ruht auf dem Tier, was eine emotionale Beziehung andeuten könnte. Es gibt allerdings auch andere Erklärungen für diese Geste: Das Hündchen könnte auch ein Geschenk für den Türhüter der jenseitigen Welt gewesen sein.
    Wir sollten die Bedeutung dieser Außenbeziehungen allerdings nicht überschätzen. Selbst wenn benachbarte Gruppierungen in schwierigen Zeiten ein loses Bündnis eingingen und gelegentlich gemeinsam jagten und feierten, verbrachten sie die meiste Zeit in völliger Abgeschiedenheit und Eigenständigkeit. Der Handel beschränkte sich auf Luxusgüter wie Muscheln, Bernstein oder Farbpigmente. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Menschen mit Nahrungsmitteln wie Obst oder Fleisch gehandelt haben könnten, oder dass einzelne Gruppen auf die Lieferungen von anderen angewiesen waren. Auch soziale und politische Beziehungen waren eher rar. Der Stamm war keine dauerhafte politische Einrichtung, und selbst wenn er sich zu bestimmten Jahreszeiten an bestimmten Orten einfand, gab es keine festen Siedlungen oder dauerhaften Einrichtungen. Der Durchschnittswildbeuter traf oft Monate lang keinen Fremden und sah im Laufe seines Lebens nur wenige Hundert Gesichter. Die Menschen verteilten sich auf riesige Gebiete. Vor der landwirtschaftlichen Revolution hatte der gesamte Planet weniger menschliche Bewohner

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