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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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werfen. Die Sapiens lebten die längste Zeit ihrer Geschichte als Wildbeuter. Die letzten zwei Jahrhunderte, in denen wir unsere Brötchen als Arbeiter und Angestellte verdienen mussten, und die zehn Jahrtausende davor, in denen wir uns als Bauern und Hirten durchgeschlagen haben, sind nur ein Wimpernschlag im Vergleich zu den Hunderttausenden von Jahren, in denen unsere Vorfahren jagten und sammelten.
    Die Vertreter des neuen Gebiets der Evolutionspsychologie nehmen an, dass unsere Gesellschaft und Psyche vor allem während dieser langen Phase vor der Erfindung der Landwirtschaft geprägt wurden. Bis heute sind unsere Gehirne daher auf ein Leben als Jäger und Sammler programmiert. Unsere Ernährungsgewohnheiten, unsere Konflikte und unsere Sexualität ergeben sich aus der Konfrontation unserer Steinzeitgehirne mit der entfremdeten Welt der Megastädte, Flugzeuge, Telefone und Computer. Dieser modernen Umwelt haben wir es zu verdanken, dass wir heute mehr Ressourcen zur Verfügung haben und länger leben als sämtliche unserer Vorfahren, doch dieselbe Umwelt ist auch dafür verantwortlich, dass wir uns oft einsam, deprimiert und gestresst fühlen. Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir uns die Welt der Wildbeuter ansehen, die uns ihren Stempel aufgedrückt hat, denn das ist die Welt, in der wir unbewusst bis heute leben.
    Warum werden wir beispielsweise immer dicker? Die modernen Industriegesellschaften leiden unter einer regelrechten Fettepidemie. Wir essen, selbst wenn wir gar keinen Hunger haben. Schlimmer noch, wir können es nie bei einem einzigen Plätzchen belassen und stopfen uns mit den süßesten, fettigsten und kalorienreichsten Lebensmitteln voll, die wir finden können. Die Erklärung dafür sind die Ernährungsgewohnheiten unserer Vorfahren. In ihrer Welt war Zucker ein knappes Gut, so wie jede Form der Nahrung nur unter Mühen zu beschaffen war. Ein typischer Wildbeuter vor 30000 Jahren kannte Süßigkeiten nur in Form von reifen Früchten. Wenn eine Steinzeitfrau bei ihrem Streifzug durch die Savanne auf einen Baum stieß, der sich unter reifen Feigen bog, dann war es nur vernünftig, sich den Magen vollzuschlagen, ehe die Pavianhorde aus der Nachbarschaft den Baum plünderte. Dieser Instinkt, Kalorien in uns hineinzuschaufeln, ist fest in unseren Genen programmiert. Obwohl wir heute in modernen Wohnungen mit gut gefüllten Kühlschränken wohnen, sind unsere Gene überzeugt, dass wir immer noch durch die Savanne streifen. Wenn wir im Gefrierfach einen Kübel Schokoladeneis finden, löffeln wir ihn deshalb auf einen Sitz weg und spülen ihn am besten noch mit einer großen Cola hinunter.
    Die Theorie vom »Fress-Gen« wird heute allgemein akzeptiert. Andere Theorien sind dagegen umstrittener. Zum Beispiel behaupten einige Evolutionspsychologen, die Steinzeitmenschen lebten nicht als monogame Paare in Kleinfamilien. Stattdessen organisierten sie sich in Kommunen und kannten weder Privatbesitz noch Monogamie oder Vaterschaft. Damals konnten Frauen mit mehreren Männern (und Frauen) gleichzeitig Beziehungen eingehen. Die Kinder wurden nicht in Kleinfamilien aufgezogen, sondern von der ganzen Gruppe. Da kein Mann wissen konnte, welches Kind von ihm stammte und welches nicht, kümmerten sich die Männer gemeinsam um den gesamten Nachwuchs.
    Das ist keine Hippie-Fantasie. Solche und ähnliche Gesellschaftsformen kennen wir von Tieren, vor allem von unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen und Bonobos. Anthropologen weisen außerdem darauf hin, dass einige menschliche Kulturen bis heute die kollektive Vaterschaft praktizieren. Nach den Mythen dieser Völker wird ein Kind nicht durch die Spermazelle eines einzelnen Mannes gezeugt, sondern durch eine Ansammlung von Spermien im Bauch der Frau. Eine gute Mutter muss also sehr darauf achten, mit so vielen Männern wie möglich zu schlafen, vor allem während der Schwangerschaft, damit ihr Kind nicht nur die Qualitäten des erfolgreichsten Jägers mitbekommt, sondern auch die des besten Geschichtenerzählers, des mutigsten Kriegers und des attraktivsten Liebhabers. Wir mögen diese Vorstellung albern finden, doch vor der Entwicklung der Embryonenforschung konnte eben noch niemand wissen, dass Kinder immer nur von einem einzigen Mann gezeugt wurden.
    Vertreter dieser Theorie der »Ur-Kommune« behaupten, wenn in modernen Ehen die Untreue und die hohe Scheidungsrate ein derartiges Problem darstellen, und wenn Kinder und Erwachsene heute unter

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