Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
hin, daß zumindest in zwei Situationen, den Schwarze Löcher und dem Urknall, das Gravitationsfeld sehr stark werden müßte. In solchen starken Feldern sollten die Auswirkungen der Quantenmechanik erheblich sein. Indem also die klassische Allgemeine Relativitätstheorie Punkte von unendlicher Dichte voraussagt, prognostiziert sie in gewissem Sinne zugleich ihr eigenes Versagen – genauso wie die klassische Mechanik ihr eigenes Versagen vorwegnahm, indem sie erklärte, daß die Atome zu unendlicher Dichte kollabieren würden. Wir haben noch keine vollständige, widerspruchsfreie Theorie, welche die allgemeine Relativität und die Quantenmechanik vereinigte, aber wir kennen eine Reihe von Eigenschaften, die sie aufweisen müßte. Welche Konsequenzen diese für Schwarze Löcher und den Urknall hätten, werde ich in späteren Kapiteln erörtern. Zunächst will ich mich mit den neueren Versuchen befassen, unser Verständnis der anderen Naturkräfte in einer einzigen, vereinheitlichten Quantentheorie zusammenzufassen.
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Elementarteilchen und Naturkräfte
A RISTOTELES GLAUBTE, alle Materie im Universum bestehe aus den vier Grundelementen Erde, Luft, Feuer und Wasser. Auf sie wirken in seinem Modell zwei Kräfte ein: die Schwerkraft, die Neigung von Erde und Wasser, zu fallen, und der Auftrieb, die Neigung von Luft und Feuer, zu steigen. Diese Aufteilung dessen, was das Universum enthält, in Materie und Kräfte ist noch heute gebräuchlich.
Aristoteles hielt die Materie für kontinuierlich, das heißt, er glaubte, man könnte ein Stück Materie unbegrenzt in immer kleinere und kleinere Teile zerlegen: Nie würde man auf ein Materiekorn stoßen, das sich nicht weiter zerteilen ließe. Einige Griechen jedoch, unter ihnen Demokrit, waren davon überzeugt, daß der Materie eine körnige Struktur eigen sei, und meinten, alles bestehe aus vielen verschiedenen Arten von «Atomen». (Das Wort atomos bedeutet im Griechischen «unteilbar».) Jahrhundertelang hielt der Streit über diese beiden Hypothesen an, ohne daß ihre Anhänger oder Gegner wirkliche Beweise hätten beibringen können, doch 1803 wies der englische Chemiker und Physiker John Dalton darauf hin, daß chemische Verbindungen immer in bestimmten Verhältnissen miteinander reagierten, was sich dadurch erklären lasse, daß die Atome sich zu bestimmten Einheiten, den sogenannten Molekülen, zusammenschlössen. Der Streit zwischen den beiden Schulen wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten der Atomisten entschieden. Ein wichtiges Beweisstück lieferte Einstein. In einer Untersuchung aus dem Jahre 1905, wenige Wochen vor dem berühmten Artikel über die Spezielle Relativitätstheorie, zeigte er, daß die Erscheinung, die als Brownsche Bewegung bezeichnet wird – die unregelmäßige, zufällige Bewegung kleiner Staubteilchen, die in einer Flüssigkeit verteilt sind –, auf die Zusammenstöße von Flüssigkeitsatomen mit den Staubteilchen zurückzuführen sei.
Zu dieser Zeit hegte man bereits Zweifel an der Unteilbarkeit dieser Atome. Einige Jahre zuvor hatte der Physiker J. J. Thomson vom Trinity College in Cambridge ein Materieteilchen, Elektron genannt, nachgewiesen, dessen Masse weniger als ein Tausendstel des leichtesten Atoms betrug. Thomsons Apparatur hatte große Ähnlichkeit mit der Bildröhre eines modernen Fernsehgerätes: Ein rotglühender Metalldraht gab Elektronen ab, die infolge ihrer negativen elektrischen Ladung mit Hilfe eines elektrischen Feldes in Richtung auf einen phosphorbeschichteten Schirm beschleunigt werden konnten. Beim Auftreffen auf den Schirm entstanden Lichtblitze. Bald war man sich darüber klar, daß diese Elektronen aus dem Innern der Atome kommen mußten, und 1911 wies der britische Physiker Ernest Rutherford endgültig nach, daß die Atome der Materie einen inneren Aufbau haben: Sie bestehen aus einem außerordentlich kleinen, positiv geladenen Kern, um den Elektronen kreisen. Zu diesem Ergebnis kam er, als er untersuchte, wie Alpha-Teilchen – positiv geladene, von radioaktiven Atomen abgegebene Partikel – bei der Kollision mit Atomen abgelenkt werden.
Zunächst meinte man, der Atomkern bestehe aus Elektronen und positiv geladenen Teilchen verschiedener Anzahl, die man «Protonen» nannte (nach griechisch prōtoi , «die ersten»; hielt man sie doch für die elementaren Bausteine der Materie). Doch 1932 entdeckte ein Kollege Rutherfords in Cambridge, James Chadwick, daß der Kern
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