Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
Vom Netzwerk:
Aus den Gesetzen der Mechanik und Elektrizität vor der Quantenmechanik folgte, daß die Elektronen Energie verlieren und sich deshalb spiralförmig nach innen bewegen würden, bis sie mit dem Kern kollidierten. Unter diesen Umständen würde das Atom und mit ihm alle Materie rasch in einen Zustand von sehr hoher Dichte zusammenstürzen. Eine Teillösung für dieses Problem fand 1913 der dänische Physiker Niels Bohr. Nach seiner Hypothese können die Elektronen nicht in beliebigen, sondern nur in bestimmten festgelegten Entfernungen um den Kern kreisen. Nimmt man weiterhin an, daß sich nur ein oder zwei Elektronen in einem dieser Abstände um den Kern bewegen können, wäre das Problem des Kollapses gelöst, weil die Elektronen bei ihrer Spirale nur so weit nach innen gelangen könnten, bis sie die Umlaufbahnen mit den kleinsten Abständen und Energien gefüllt hätten.
    Dieses Modell lieferte eine sehr gute Erklärung für das einfachste Atom, das Wasserstoffatom, bei dem nur ein Elektron den Kern umkreist. Doch es war nicht klar, wie man es auf kompliziertere Atome anwenden sollte. Darüber hinaus erschien der Gedanke, daß es nur eine begrenzte Zahl von zulässigen Umlaufbahnen gebe, höchst willkürlich. Die neue Theorie der Quantenmechanik löste dieses Problem. Sie erlaubt es, sich ein Elektron, das den Kern umkreist, als Welle vorzustellen, deren Wellenlänge von ihrer Geschwindigkeit abhängt. Bei bestimmten Bahnen entspricht deren Länge einer ganzen Zahl (im Gegensatz zu einem Bruch) von Wellenlängen des Elektrons. Bei diesen Bahnen befindet sich der Wellenkamm bei jeder Umrundung in der gleichen Position, so daß sich die Wellen addieren: Diese Umlaufbahnen entsprechen den zulässigen Bahnen von Bohr. Doch bei Bahnen, die nicht in ganzzahligem Verhältnis zu den Umlaufbahnen stehen, wird jeder Wellenkamm bei den Umlaufbewegungen der Elektronen schließlich durch ein Wellental aufgehoben: Diese sind nicht zulässig.
    Eine anschauliche Vorstellung von der Welle-Teilchen-Dualität liefert die Pfadintegralmethode des amerikanischen Physikers Richard Feynman, auch Aufsummierung von Möglichkeiten (sum-over histories) genannt. Er geht von der Annahme aus, daß das Teilchen nicht eine einzige Geschichte oder einen einzigen Weg in der Raumzeit hinter sich hat, wie es die klassische Theorie vor der Quantenmechanik postulierte, sondern daß es sich auf jedem möglichen Weg von A nach B bewegt. Mit jedem Weg sind zwei Zahlen verknüpft: die eine bezeichnet die Größe der Welle, die andere steht für die Position im Schwingungszyklus, das heißt, sie gibt darüber Auskunft, ob es sich um Wellenkamm oder -tal handelt. Die Wahrscheinlichkeit einer Bewegung von A nach B ergibt sich durch Addition der Wellen für alle Wege. Im allgemeinen werden sich beim Vergleich einer Reihe von benachbarten Wegen die Phasen oder Positionen im Zyklus erheblich unterscheiden. Das heißt, daß die mit diesen Wegen verknüpften Wellen einander fast aufheben. Bei manchen Anordnungen benachbarter Wege indessen unterscheidet sich die Phase von Weg zu Weg nicht sonderlich. Die Wellen dieser Wege heben sich nicht auf. Sie entsprechen Bohrs zulässigen Bahnen.
    Als diese Ideen in konkreter mathematischer Form vorlagen, war es relativ leicht, die zulässigen Bahnen in komplizierteren Atomen zu berechnen, ja sogar in Molekülen, die aus mehreren Atomen bestehen und durch Elektronen zusammengehalten werden, deren Bahnen um mehr als einen Kern laufen. Da die Struktur der Moleküle und ihre wechselseitigen Reaktionen allen chemischen und biologischen Prozessen zugrunde liegen, ermöglicht es uns die Quantenmechanik im Prinzip, innerhalb der von der Unschärferelation gesetzten Grenzen nahezu alles vorherzusagen, was wir um uns herum wahrnehmen. (In der Praxis sind jedoch die Berechnungen bei Systemen, die mehr als einige wenige Elektronen enthalten, so kompliziert, daß wir sie nicht mehr durchführen können.)
    Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie scheint den großräumigen Aufbau des Universums zu erfassen. Sie ist eine sogenannte «klassische Theorie», das heißt, sie berücksichtigt nicht die Unschärferelation der Quantenmechanik, wie sie es tun müßte, um nicht in Widerspruch zu anderen Theorien zu geraten. In Übereinstimmung mit den Beobachtungsdaten befindet sie sich nur deshalb, weil die Gravitationsfelder in unserem gewohnten Erfahrungsbereich alle sehr schwach sind. Doch die oben erörterten Singularitätstheoreme weisen darauf

Weitere Kostenlose Bücher