Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
konzentrierte sich auf die Schwarzen Löcher, die sich aus solchen zusammenstürzenden Sternen ergeben können, und auf die starken Gravitationsfelder, von denen sie umgeben sind. Diese Arbeit lieferte erste Hinweise auf Beziehungen zwischen Quantenmechanik und Allgemeiner Relativitätstheorie – eine Ahnung von der Gestalt, die eine künftige Quantentheorie der Gravitation annehmen könnte.
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Schwarze Löcher
D IE BEZEICHNUNG «Schwarzes Loch» ist sehr jungen Datums. Der amerikanische Wissenschaftler John Wheeler prägte sie 1969, um einen anschaulichen Begriff von einer Idee zu liefern, die mindestens zweihundert Jahre zurückreicht, in eine Zeit, als es zwei Theorien über das Licht gab: eine, von Newton vertreten, daß es aus Teilchen, und eine andere, daß es aus Wellen bestehe. Wie wir heute wissen, sind beide Theorien richtig. Nach der Welle-Teilchen-Dualität der Quantenmechanik kann man das Licht als Welle wie auch als Teilchen ansehen. Ging man vom Wellencharakter des Lichts aus, blieb unklar, wie es auf die Schwerkraft reagiert. Doch wenn das Licht aus Teilchen besteht, dann konnte man erwarten, daß es von der Schwerkraft in der gleichen Weise beeinflußt wird wie Kanonenkugeln, Raketen und Planeten. Zunächst glaubte man, die Lichtteilchen würden sich unendlich schnell fortbewegen; deshalb könne die Schwerkraft sie nicht abbremsen. Doch aus der Entdeckung der endlichen Geschwindigkeit des Lichts durch Rømer folgte, daß die Schwerkraft eine ganz erhebliche Wirkung haben könnte.
Von dieser Überlegung ausgehend, kam der Cambridge-Gelehrte John Michell in einem 1783 in den Philosophical Transactions der Londoner Royal Society veröffentlichten Artikel zu dem Ergebnis, ein Stern von hinreichender Masse und Dichte müsse ein so starkes Gravitationsfeld haben, daß ihm das Licht nicht entkommen könne: Alles von der Oberfläche des Sterns ausgesendete Licht würde von den Gravitationskräften des Sterns wieder zurückgezogen werden, bevor es noch sehr weit gelangt wäre. Michell vermutete, daß es eine große Zahl solcher Sterne gebe. Obwohl wir sie nicht sehen könnten, weil uns ihr Licht nicht erreiche, würden wir doch ihre Massenanziehung spüren. Solche Objekte bezeichnen wir heute als «Schwarze Löcher», denn genau das sind sie: schwarze Leeren im Weltraum. Eine ähnliche These brachte wenige Jahre später der französische Naturwissenschaftler Marquis de Laplace vor, offenbar ohne von Michells Aufsatz zu wissen. Interessanterweise veröffentlichte Laplace sie nur in der ersten und zweiten Ausgabe seines Buches «Darstellung des Weltsystems», während sie in späteren Auflagen fehlt. Vielleicht war er zu dem Schluß gekommen, daß es sich um eine närrische Idee handelte. (Außerdem büßte die Teilchen- oder Korpuskulartheorie des Lichts im 19. Jahrhundert ihr früheres Ansehen ein. Es schien, als könnte man alles mit der Wellentheorie erklären, und ihr zufolge war es fraglich, ob die Schwerkraft das Licht überhaupt beeinflusse.)
Im Grunde genommen ist es gar nicht zulässig, das Licht wie Kanonenkugeln in Newtons Gravitationstheorie zu behandeln, weil die Lichtgeschwindigkeit einen festen Wert hat. (Wird eine Kanonenkugel von der Erde aus nach oben abgefeuert, so verlangsamt sie sich infolge der Schwerkraft, hält schließlich inne und fällt zurück; ein Photon dagegen muß seinen Weg nach oben mit gleichbleibender Geschwindigkeit fortsetzen. Wie soll da Newtons Schwerkraft auf das Licht einwirken?) Eine schlüssige Theorie über die Wirkung der Gravitation auf das Licht liegt erst seit 1915 vor: Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie. Und es dauerte lange, bis man ihre Bedeutung für Sterne mit großer Masse begriff.
Um die Entstehung eines Schwarzen Loches nachvollziehen zu können, brauchen wir zunächst eine Vorstellung vom Lebenszyklus der Sterne. Ein Stern entsteht, wenn eine große Menge Gas (meist Wasserstoff) infolge der Gravitation in sich selbst zusammenzustürzen beginnt. Während dieser Kontraktion kommt es immer häufiger und mit immer höheren Geschwindigkeiten zu Kollisionen zwischen den Gasatomen – das Gas erwärmt sich. Schließlich ist es so heiß, daß die kollidierenden Wasserstoffatome nicht mehr voneinander abprallen, sondern miteinander verschmelzen und Helium bilden. Die Wärme, die bei dieser Reaktion – einer Art kontrollierter Wasserstoffbombenexplosion – frei wird, bringt den Stern zum Leuchten. Die erhöhte
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