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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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fand. Am folgenden Tag rief ich Roger Penrose an. Er stimmte mir zu. Ich glaube sogar, ihm war diese Eigenschaft der Fläche schon vorher klargewesen. Er definierte das Schwarze Loch nur etwas anders und hatte nicht bemerkt, daß dessen Grenzen bei beiden Definitionen gleich waren und damit auch ihre Flächen, vorausgesetzt, das Schwarze Loch hätte einen Zustand angenommen, in dem es sich nicht mehr mit der Zeit änderte.

    Abb. 21: Den Ereignishorizont – die Grenze – eines Schwarzen Loches bilden Lichtstrahlen, die knapp daran scheitern, dem Schwarzen Loch zu entkommen.
    Die Tatsache, daß die Fläche des Schwarzen Loches nicht abnimmt, erinnerte mich stark an das Verhalten einer physikalischen Größe namens Entropie, die den Grad der Unordnung eines Systems angibt. Es gehört zur alltäglichen Erfahrung, daß die Unordnung in der Regel zunimmt, wenn man die Dinge sich selbst überläßt. (Um das festzustellen, braucht man nur auf alle Reparaturen an einem Haus zu verzichten.) Man kann Ordnung aus Unordnung schaffen (etwa das Haus anstreichen), doch das kostet Anstrengung oder Energie und verringert damit die Menge der verfügbaren geordneten Energie.

    Abb. 22 und 23: Mit einfallender Materie vergrößert sich der Ereignishorizont des Schwarzen Loches. In Abb. 23 sind zwei Schwarze Löcher kollidiert und haben dabei einen Ereignishorizont gebildet, der größer ist als die Summe der ursprünglichen Flächen.
    Eine genaue Formulierung dieses Gedankens ist der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Dort heißt es, daß die Entropie eines geschlossenen Systems stets zunimmt und daß bei der Vereinigung zweier Systeme die Entropie des Gesamtsystems größer ist als die Summe der Entropien der einzelnen Systeme. Betrachten wir ein System von Gasmolekülen in einem Behälter. Wir können uns die Moleküle als kleine Billardkugeln vorstellen, die ständig zusammenstoßen und von den Behälterwänden abprallen. Je höher die Temperatur des Gases ist, desto schneller bewegen sich die Moleküle, desto häufiger und heftiger prallen sie auch an die Wände des Behälters, und desto größer ist damit der nach außen gerichtete Druck, den sie auf die Wände ausüben. Nehmen wir an, die Moleküle seien anfangs alle durch eine Zwischenwand auf die linke Behälterseite eingegrenzt. Wenn man die Zwischenwand entfernt, werden sich die Moleküle in der Regel ausbreiten und sich über beide Behälterhälften verteilen. Etwas später könnten sie sich zufällig alle in der rechten oder wieder in der linken Hälfte befinden, doch es ist viel wahrscheinlicher, daß sich eine im großen und ganzen gleiche Zahl in beiden Hälften befindet. Ein solcher Zustand ist weniger geordnet – oder ungeordneter – als der ursprüngliche Zustand, bei dem sich alle Moleküle in der einen Hälfte befanden. Deshalb sagt man, daß die Entropie des Gases zugenommen habe. Ähnlich können wir auch mit zwei Behältern beginnen: Der eine enthält Sauerstoff-, der andere Stickstoffmoleküle. Wenn man die beiden Behälter miteinander verbindet und die Zwischenwand entfernt, beginnen sich die Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle zu mischen. Nach einiger Zeit wäre der wahrscheinlichste Zustand eine weitgehend gleichmäßige Mischung der Moleküle in beiden Behältern. Dieser Zustand wäre weniger geordnet und besäße infolgedessen eine größere Entropie als der ursprüngliche Zustand der beiden getrennten Behälter.
    Die Gültigkeit des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik unterscheidet sich ein wenig von der anderer physikalischer Gesetze, etwa des Newtonschen Gravitationsgesetzes, weil er nicht immer, sondern nur in den allermeisten Fällen zutrifft. Die Wahrscheinlichkeit, daß alle Gasmoleküle in unserem ersten Behälter zu einem späteren Zeitpunkt in einer Hälfte des Behälters angetroffen werden, beträgt zwar eins zu vielen Billionen, aber ausschließen läßt sich dieser Fall nicht. Doch wenn ein Schwarzes Loch in der Nähe ist, scheint es eine sehr viel einfachere Möglichkeit zu geben, gegen den Zweiten Hauptsatz zu verstoßen: Man braucht nur etwas Materie mit einem hohen Maß an Entropie, zum Beispiel einen Behälter mit Gas, in das Schwarze Loch zu werfen. Die Gesamtentropie außerhalb des Schwarzen Loches würde abnehmen. Man könnte natürlich sagen, daß die Gesamtentropie, einschließlich der Entropie im Schwarzen Loch, nicht abgenommen hätte – aber da es keine Möglichkeit gibt, in das Schwarze Loch hineinzublicken, können

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