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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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denn hundert Jahre später wäre so ein Topf schon ganz unmodern gewesen
und niemand hätte ihn haben wollen.«
    Man glaubt heute, dass die Könige der griechischen Städte, die
Schliemann ausgegraben hat, all ihre schönen Sachen nicht selbst erfunden
haben. Die schönen Gefäße und Dolche mit Jagdbildern, die goldenen Schilde und
Helme, die Schmuckstücke und auch die bunten Bilder an den Wänden ihrer Hallen,
all das war nicht zuerst in Griechenland zu Hause und nicht in Troja, sondern
auf einer Insel, nicht allzu weit davon. Diese Insel heißt Kreta. In Kreta gab
es schon zur Zeit des Königs Hammurabi – wann war das? – große prunkvolle
Königspaläste mit unendlich vielen Räumen, treppauf, treppab, mit Sälen und
Kammern, mit Säulen, Höfen, Gängen und Kellern. Ein ganzes Labyrinth.

    Erinnerst du dich vielleicht an die Sage vom bösen Minotaurus, der
halb Mensch und halb Stier war und der in seinem Labyrinth saß, wohin ihm die
Griechen Menschenopfer schicken mussten? Weißt du, wo das spielte? Eben auf
Kreta. Also auch in dieser Sage steckt vielleicht ein wahrer Kern. Vielleicht
haben wirklich die Könige von Kreta einmal über die griechischen Städte
geherrscht, und die Griechen mussten ihnen Tribut senden. Diese Leute aus Kreta
müssen ein merkwürdiges Volk gewesen sein, von dem man noch sehr wenig weiß.
Auch die Bilder, die sie in die großen Paläste malten, schauen ganz anders aus
als die Sachen, die zu dieser Zeit in Ägypten oder Babylonien gemacht wurden.
Du erinnerst dich, dass die ägyptischen Bilder wunderschön sind, aber eher
streng und steif, wie es ihre Priester waren. Das war in Kreta ganz anders.
Nichts hat man dort lieber abgebildet als Tiere oder Menschen in schneller
Bewegung. Da war ihnen nichts zu schwer zu malen: Jagdhunde, die hinter
Wildschweinen herjagen, Menschen, die über Stiere springen. Von den Kretern
also haben die Könige in den griechischen Städten gelernt. Wahrscheinlich haben
sie auch die Schrift von den Kretern erlernt. Die griechische Schrift war nicht
so einfach wie die von den Phöniziern und wurde wohl auch nicht zum
Briefeschreiben benutzt, sondern nur, um Listen anzufertigen. Erst vor Kurzem
ist es Wissenschaftlern gelungen, diese Listen zu entziffern.
    Aber die ganze Pracht dauerte nicht viel länger als bis 1200 vor
Christus. Damals – also noch vor der Zeit König Salomos – kamen von Norden her
neue Völkerschaften. Ob sie verwandt waren mit denen, die vorher in
Griechenland gewohnt und Mykenä erbaut haben, weiß man nicht sicher. Es ist
aber wahrscheinlich. Jedenfalls haben sie die Könige vertrieben und sich an
ihre Stelle gesetzt. Kreta war schon vorher zerstört worden. Aber die
Erinnerung an all die Pracht hat sich bei den Einwanderern erhalten, auch wenn
sie sich in neuen Städten ansiedelten und ihre eigenen Heiligtümer gründeten.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sie die Geschichte ihrer eigenen Eroberungen
und Kämpfe mit den alten Geschichten der mykenischen Könige verschmolzen.
    Dieses neue Volk waren die Griechen, und die Sagen und Lieder, die
an den Höfen ihrer Vornehmen gesungen wurden, waren eben die homerischen
Gesänge, mit denen wir angefangen haben. Wir können uns merken, dass sie um 800
vor Christus schon gedichtet waren.
    Als die Griechen in Griechenland einwanderten, waren sie noch
keine Griechen. Klingt das nicht merkwürdig? Es ist aber wahr. Ich meine
nämlich: Als die Völkerschaften aus dem Norden in ihre späteren Wohnsitze
zogen, waren sie noch kein einheitliches Volk. Sie sprachen verschiedene
Dialekte und gehorchten verschiedenen Häuptlingen. Es waren einzelne »Stämme« –
nicht viel anders als die Sioux oder Mohikaner in den Indianer-Büchern. Ihre
Stämme waren fast ebenso tapfer und kriegerisch wie die Indianer und hießen
Dorier, Ionier, Äolier und so ähnlich. Aber in manchem unterschieden sie sich
sehr von den Indianern. Letztere haben das Eisen schon gekannt, während die
Leute in Mykenä und Kreta, ganz wie in den Liedern des Homer, nur Bronzewaffen
verwendeten. Diese Völker nun sind mit Frauen und Kindern eingewandert. Voran
die Dorier; die sind auch am weitesten hinuntergegangen, bis in den südlichsten
Zipfel von Griechenland, der ausschaut wie ein Ahornblatt: in die Peloponnes.
Dort unterwarfen sie die früheren Einwohner und ließen sie als Knechte auf dem
Feld arbeiten. Sie selbst wohnten in einer Stadt, die Sparta hieß.
    Die Ionier, die nach ihnen kamen, haben gar nicht mehr alle

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