Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
oströmische Kaiser in Konstantinopel
wollte sich gut mit ihm stellen; sogar der Herrscher der Araber im fernen
Mesopotamien, der große Märchenfürst Harun al Raschid, der in Bagdad in der
Nähe des alten Ninive seinen wunderbaren Palast hatte, sandte ihm die
kostbarsten Schätze zum Geschenk, prachtvolle Gewänder, seltene Gewürze und
einen Elefanten. Ferner eine Wasseruhr, deren Getriebe so prunkvoll war, wie
man es im Frankenreich noch nie gesehen hatte. Dem mächtigen Kaiser zuliebe
erlaubte Harun al Raschid sogar, dass christliche Pilger unbelästigt und
ungehindert zum Heiligen Grab Christi nach Jerusalem pilgern durften. Jerusalem
stand, wie du dich erinnerst, unter der Herrschaft der Araber.
All das hatte man der Klugheit, der Willenskraft und Überlegenheit
des neuen Kaisers zu verdanken. Das sieht man deutlich nach seinem Tod im Jahre
814. Da verging das alles traurig schnell. Das Reich wurde unter die drei Enkel
Karls geteilt und zerfiel bald in die Reiche Deutschland, Frankreich und
Italien.
In den Landstrichen, die früher einmal zum Römischen Reich gehört
hatten, sprach man weiterhin romanische Sprachen, also Französisch und
Italienisch. Die drei Länder wurden nie wieder vereint. Auch die deutschen
Stammesherzogtümer rührten sich nun und bekamen wieder ihre Selbstständigkeit.
Die Slawen sagten sich gleich nach Karls Tod los und gründeten unter ihrem
ersten großen König, Svatopluk, selbst ein mächtiges Reich. Die Schulen, die
Karl in Deutschland gegründet hatte, verfielen, und die Kunst des Lesens und
Schreibens war bald nur noch in einigen verstreuten Klöstern bekannt.
Germanenstämme im Norden, die Dänen und Normannen, die man Wikinger nannte,
plünderten als Seeräuber wild und unerschrocken die Städte an der Küste. Sie
waren fast unüberwindlich. Sie gründeten Reiche im Osten, unter den Slawen im
heutigen Russland und im Westen an der Küste des heutigen Frankreich. Heute
noch heißt nach diesen Normannen eine Region Frankreichs die Normandie.
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das große Werk Kaiser
Karls des Großen, hat im nächsten Jahrhundert nicht einmal dem Namen nach
bestanden.
Ein Kampf um die Herrschaft über die Christenheit
Die Weltgeschichte ist leider keine schöne Dichtung. Es wird
in ihr nicht für Abwechslung gesorgt. Besonders die unangenehmen Dinge
wiederholen sich immer wieder. So sind kaum 100 Jahre nach Karl dem Großen, in
der Zeit, in der es so traurig um das Land bestellt war, wieder Reiterhorden
vom Osten her eingefallen wie vorher die Hunnen und dann die Awaren. Gar so
merkwürdig ist das eigentlich nicht. Der Weg aus der asiatischen Steppe nach
Europa war bequemer und darum verlockender als ein Raubzug gegen China, das
nicht nur durch die große Mauer des Qin Shi Huangdi geschützt war, sondern das
in dieser Zeit überhaupt ein mächtiger, geordneter Staat gewesen ist, mit
blühenden großen Städten und einem unerhört kultivierten, geschmackvollen Leben
am Kaiserhof und in den Häusern der hohen und gelehrten Beamten.
In derselben Zeit, in der man in Deutschland die alten Kriegslieder
sammelte und bald wieder als zu heidnisch verbrannte, in der in Europa die
Mönche schüchtern versuchten, die biblische Geschichte in deutschen Reimen und
lateinischen Versen nachzuerzählen (also in der Zeit vor und nach 800), lebten in
China die größten Dichter, die es vielleicht überhaupt je gegeben hat. Sie schrieben
mit schwungvollen Pinselstrichen in Tusche auf Seide ganz knappe, kurze,
einfache Verse, die bei aller Einfachheit so viel sagen, dass sie einem nicht
mehr aus dem Kopf gehen, wenn man sie einmal gelesen hat. Das Chinesische Reich
war gut verwaltet und gut geschützt. Darum drangen die Reiterscharen lieber
immer wieder nach Europa. Diesmal waren es die Magyaren. Da kein Papst Leo der
Große und kein Kaiser Karl der Große ihnen entgegenzog, eroberten sie schnell
das heutige Ungarn und Österreich und fielen in Deutschland ein, um zu plündern
und zu morden.
Da mussten die einzelnen Stammesherzogtümer wohl oder übel einen
Führer wählen. Sie wählten im Jahre 919 einen Herzog der Sachsen, Heinrich, zu
ihrem gemeinsamen König, der die Magyaren auch endlich zurückschlug und von
Deutschland fernhielt. Sein Nachfolger, König Otto, den man Otto den Großen nennt,
vernichtete sie zwar nicht ganz so, wie Karl der Große die Awaren vernichtet
hatte, aber er zwang sie nach einer furchtbaren Niederlage im Jahre 955, sich
in Ungarn
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