Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
großen Völkerfamilie sein und alles selbst entscheiden.
So einer war nun Karl der Große wirklich. Darum nennen wir ihn ja
den Großen. Er war ein Nachkomme des Feldherrn der Merowinger, Karl Martells,
der die Araber vom Frankenreich ferngehalten hatte. Die Merowinger waren keine
sehr würdige Königsfamilie. Sie konnten nichts, als mit langem Haar und
wallendem Bart auf dem Thron sitzen und die Reden heruntersagen, die ihnen ihre
Minister eingetrichtert hatten. Ihre Reisen machten sie nicht zu Pferde,
sondern im Ochsenkarren wie die Bauern; so fuhren sie auch zu den Versammlungen
des Volkes. Aber das eigentliche Regierungsgeschäft lag bei einer tüchtigen
Familie, aus der auch Karl Martell stammte. Karls des Großen Vater, Pippin, war
ebenfalls aus dieser Familie. Aber er wollte nicht mehr nur Minister sein,
dessen Reden ein anderer heruntersagte, er wollte zu seiner Königsmacht auch
den Königstitel haben. So setzte er den Merowingerkönig ab und machte sich zum
Herrscher des Reiches der Franken, zu dem damals ungefähr die westliche Hälfte
des heutigen Deutschland und der östliche Teil des heutigen Frankreich gehörte.
Du darfst dir aber kein festes Reich vorstellen, keinen richtigen
Staat mit Beamten und womöglich mit einer Polizei, auch nichts, was sich mit
dem Römerreich vergleichen lässt. Es gab ja damals noch ebenso wenig ein
deutsches Volk, wie es das zur Zeit der Römer gegeben hat. Es gab einzelne
Stämme, die verschiedene Dialekte sprachen, verschiedene Sitten und Bräuche
hatten und die einander zum Teil ebenso wenig leiden mochten wie seinerzeit die
Dorier und Ionier in Griechenland.
Die Führer oder Häuptlinge dieser Stämme hießen Herzöge, weil sie im
Kampf an der Spitze des Heeres zogen, und solche Stammesherzogtümer gab es
einige in Deutschland: das Herzogtum der Bayern, der Schwaben, der Alemannen
usw. Der mächtigste Stamm aber waren eben die Franken. Ihnen mussten die
anderen Heerfolge leisten, das heißt, sie mussten im Falle eines Krieges an
ihrer Seite kämpfen. Diese Oberherrschaft im Krieg bildete eigentlich die
Hauptmacht der Franken zur Zeit von Karls des Großen Vater, Pippin. Und diese
Heeresmacht hat auch Karl der Große ausgenutzt, als er 768 König wurde.
Erst eroberte er ganz Frankreich. Dann zog er über die Alpen nach
Italien, wo, wie du dich noch erinnerst, am Schluss der Völkerwanderung die
Langobarden eingewandert waren. Er vertrieb den König der Langobarden und gab
die Macht im Lande dem Papst in Rom, als dessen Beschützer er sich zeitlebens
gefühlt hat. Dann zog er nach Spanien und kämpfte mit den Arabern, kehrte aber
bald wieder um.
Als er nun sein Reich nach Süden und Westen ausgedehnt hatte, kam
der Osten an die Reihe. Im Osten, im heutigen Österreich, waren damals wieder
asiatische Reiterhorden eingefallen, die den Hunnen ganz ähnlich waren. Nur
hatten sie keinen so gewaltigen Herrscher wie Attila. Ihre Lager umgaben sie
immer mit Ringwällen, die schwer zu erobern waren. Karl der Große und seine
Heere kämpften acht Jahre gegen die Awaren in Österreich und besiegten sie so
gründlich, dass von ihnen nichts übrig blieb. Doch die Awaren hatten bei ihrem
Einfall, ganz ähnlich wie früher die Hunnen, auch andere Völkerschaften vor
sich hergetrieben. Das waren die Slawen. Auch die Slawen hatten damals eine Art
Reich gegründet, freilich ein noch lockereres und wilderes als die Franken.
Karl zog auch gegen sie ins Feld und zwang sie zum Teil zur Heerfolge, zum Teil
zu jährlichen Abgaben. Aber während all dieser Kriegszüge vergaß er nie, was
ihm das Wichtigste war. Nämlich alle deutschen Stammesherzogtümer und alle
deutschen Stämme unter seine Herrschaft zu bringen und wirklich ein Volk aus ihnen zu machen.
Nun gehörte damals die ganze östliche Hälfte Deutschlands noch gar
nicht zum Frankenreich. Dort saßen die Sachsen, bei denen es noch so wild und
kriegerisch zuging wie bei den Germanenstämmen der Römerzeit. Sie waren auch
noch Heiden und wollten nichts vom Christentum wissen. Aber Karl fühlte sich
als das Oberhaupt aller Christen. Er dachte da nicht sehr viel anders als die
Mohammedaner. Er meinte, man könnte die Menschen zum Glauben zwingen. So
kämpfte er viele Jahre lang mit Witukind, dem Führer der Sachsen. Die Sachsen
unterwarfen sich und fielen ihm dann wieder in den Rücken; er kehrte um und
verwüstete ihr Land. Aber kaum war er fort, so befreiten sie sich wieder. Sie
zogen mit Karl dem Großen ganz gehorsam in den
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