Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
wahrscheinlich denselben Pass,
über den einmal Hannibal in Italien eindrang.
Der Papst war gerade nach Deutschland unterwegs, um mit des Königs
Feinden zu verhandeln. Als er hörte, dass Heinrich herannahe, floh er in eine
Burg in Oberitalien, die Canossa heißt. Er glaubte, dass Heinrich mit einem
Heer erscheinen werde. Wie nun Heinrich allein kam, um sich vom Bann
lossprechen zu lassen, war er erstaunt und erfreut. Manche erzählen, dass der
König im Büßergewand erschien, in einer groben Kutte, und dass der Papst ihn so
drei Tage lang im Vorhof der Burg warten ließ, barfuß in der grimmigen
Winterkälte, im Schnee stehend, bis er sich seiner erbarmte und den Kirchenbann
aufhob. Manche Zeitgenossen schildern, wie der König vor dem Papst um Gnade
wimmerte, die ihm der Papst schließlich aus Mitleid gewährt habe.
Heute spricht man noch von einem »Gang nach Canossa«, wenn man sagen
will, dass ein Mensch sich demütigen und einen Gegner um Gnade bitten muss.
Jetzt werde ich dir aber zeigen, wie einer der Freunde des Königs dieselbe
Geschichte erzählt. Sie hört sich dort so an: »Als Heinrich erkannte, wie
schlecht seine Lage war, fasste er heimlich einen sehr schlauen Plan. Plötzlich
und unerwartet reiste er dem Papst entgegen. Dadurch erreichte er zwei große
Vorteile mit einem Schlag: Er wurde vom Bann losgesprochen und verhinderte
durch sein persönliches Erscheinen, dass der Papst mit seinen Feinden
zusammentraf, was für ihn gefährlich gewesen wäre.« So haben die Freunde des
Papstes den Gang nach Canossa als unerhörten Erfolg des Papstes angesehen und
die Anhänger des Königs als großen Vorteil für ihren Herrn.
Du siehst daran, wie man aufpassen muss, wenn man über zwei
streitende Mächte urteilen will. Aber der Streit war mit dem Gang nach Canossa
noch nicht zu Ende; er war nicht einmal mit dem Tod König Heinrichs, der
inzwischen wirklich Kaiser geworden war, und dem Tod Papst Gregors zu Ende.
Zwar hat Heinrich noch erreicht, dass Gregor abgesetzt wurde, aber der Wille dieses
großen Papstes ist doch allmählich durchgedrungen. Die Bischöfe wurden von der
Kirche gewählt, und der Kaiser durfte nur sagen, ob er der Wahl zustimme. Der
Papst und nicht der Kaiser wurde Herr der Christenheit.
Du erinnerst dich, dass die nordischen Seefahrer, die Normannen,
einen Landstrich an der Küste des Frankenreiches erobert hatten, der heute noch
nach ihnen die Normandie heißt. Sie hatten sich bald angewöhnt, Französisch zu
sprechen wie ihre Nachbarn. Aber die Lust an kühnen Seefahrten, am Wandern und
Erobern hatten sie nicht verloren. Manche von ihnen sind bis Sizilien gefahren
und haben dort gegen Araber gekämpft, haben dann auch Unteritalien erobert und
von dort aus – unter ihrem großen Führer Robert Guiscard – Papst Gregor VII.
gegen die Angriffe Heinrichs IV. verteidigt. Andere setzten über den schmalen
Meeresarm, der zwischen Frankreich und England liegt, und besiegten unter ihrem
König Wilhelm, den man seitdem »Wilhelm den Eroberer« nennt, den englischen
König (einen der einheimischen Nachfolger des dänischen Königs Canute). Das war
im Jahre 1066, und fast jeder Engländer kennt diese Jahreszahl, denn es war dies
das letzte Mal, dass ein feindliches Heer in England Fuß fassen konnte.
Wilhelm ließ von seinen Beamten eine genaue Liste aller Dörfer und
aller Landgüter anfertigen und gab viele davon seinen Mitkämpfern zum Lehen. So
waren die Vornehmen in England Normannen; und da diese Normannen aus der
Normandie Französisch sprachen, ist heute noch die englische Sprache ein
Gemisch aus alten germanischen und romanischen Wörtern.
Ritterliche Ritter
Von den alten Rittern hast du sicher schon
gehört. Vielleicht hast du auch schon Bücher gelesen, in denen viel vorkommt
von Harnischen und Knappen, von Helmbüschen und edlen Rossen, von bunten Wappen
und festen Burgen, von Zweikampf und ritterlichen Spielen, bei denen die Frauen
den Dank austeilten, von gefährlichen Fahrten und verlassenen Burgfräulein, von
fahrenden Sängern und vom Ritt ins Heilige Land. Und das Schönste ist, dass es
das alles wirklich gegeben hat. Dieser ganze romantische Glanz ist keine
Erfindung. Es hat einmal auf der Welt bunt und abenteuerlich ausgesehen, und
die Menschen haben sich gefreut, in dem seltsamen Spiel der Ritterschaft
mitzuspielen, das oft sehr ernst war.
Aber wann gab es Ritter, und wie ist das eigentlich gewesen?
Ritter heißt eigentlich Reiter, und damit hat das Rittertum
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