Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
gewohnt waren, zu Pferd einander entgegenzureiten, um sich aus dem
Sattel zu werfen. Nun mussten sie gegen die Kugeln der Bürgerheere immer schwerere
und dickere Panzer tragen und saßen bald nicht mehr in Kettenhemden zu Pferde,
sondern erschienen in ihren Rüstungen wie eiserne Männer. Sie konnten sich kaum
rühren. Es sah zwar sehr grimmig aus, war aber entsetzlich heiß und
unpraktisch. Darum waren gerade die Ritterheere bei aller Tapferkeit weniger zu
fürchten. Als ein berühmter kriegerischer Ritterfürst des französischen
Herzogtums Burgund, den man wegen seiner Unerschrockenheit Karl den Kühnen
nannte, im Jahre 1476 mit einem solchen gepanzerten Ritterheer die Schweiz
erobern wollte, fielen die freien Bauern und Bürger der Schweiz bei der Stadt
Murten zu Fuß über diese unbeweglichen eisernen Männer her, warfen sie vom
Pferd, schlugen sie nieder und erbeuteten all die prunkvollen, kostbaren Zelte
und Teppiche, die das Ritterheer auf seinem Eroberungszug mit sich geführt
hatte. Du kannst sie heute noch in Bern, in der Hauptstadt der Schweiz, sehen.
Die Schweiz blieb frei, und mit den Rittern ging es zu Ende.
Den deutschen Kaiser, der um 1500 regierte, nennt man darum auch den
letzten Ritter. Er hieß Maximilian und war aus der Familie der Habsburger,
deren Macht und Reichtum seit König Rudolf von Habsburg immer mehr gewachsen
war. Seit 1438 war diese Familie nicht nur in ihrem eigenen Land Österreich
mächtig, sondern überhaupt so einflussreich, dass nur noch Habsburger zu
deutschen Kaisern gewählt wurden. Doch hatten die meisten, wie auch Maximilian,
der letzte Ritter, viel Kampf und Sorge mit den deutschen Vornehmen und
Fürsten, die ja fast uneingeschränkt in ihren Lehen herrschten und die dem
Kaiser oft nicht einmal mehr in den Krieg folgen wollten, wenn er es ihnen
befahl.
Seit es Geld und Städte und Schießpulver gab, war das Verleihen von
Ländern mit hörigen Bauern als Belohnung für Kriegsdienste ebenso veraltet wie das
Rittertum überhaupt. Darum nahm Maximilian auch bei seinen Kriegen, die er mit dem
französischen König um Besitzungen in Italien führte, nicht mehr seine
Ritteruntertanen mit ins Feld, sondern er bezahlte Soldaten, die nur in den
Krieg zogen, um Geld zu verdienen. Solche Soldaten nannte man Landsknechte. Es
waren wilde, rohe Gesellen in den unglaublichsten, prahlerischsten Trachten,
Menschen, die sich am meisten freuten, wenn es was zum Plündern gab. Sie
kämpften ja nicht für ihre Heimat, sondern für Geld, und sie gingen zu dem, der
ihnen mehr zahlte. Darum brauchte der Kaiser viel Geld. Da er keines hatte,
musste er es sich von reichen Kaufleuten in den Städten ausleihen. Dafür musste
er auch wieder freundlich zu den Städten sein, und das ärgerte die Ritter, die
sich immer überflüssiger vorkamen.
Maximilian hatte gar nicht gern mit all diesen verwickelten Sorgen
zu tun. Viel lieber wäre er, wie die Ritter der alten Zeit, auf Turniere
geritten und hätte der Dame seines Herzens seine Abenteuer in schönen Reimen
geschildert. Er war ein merkwürdiges Gemisch aus Altem und Neuem. Denn die neue
Kunst gefiel ihm sehr, und er bat den größten deutschen Maler, Albrecht Dürer,
der viel von den Italienern gelernt hatte, aber noch mehr von sich selbst,
immer wieder, Bilder und Druckwerke zu seinem Ruhm zu verfertigen. Und so
schildert uns der erste neue deutsche Künstler in seinen herrlichen Bildern,
wie der letzte Ritter in Wirklichkeit ausgesehen hat. Seine Bilder sowie die
Bilder und Bauten der großen Künstler Italiens, das sind die »Trompeter«, die
den Menschen zugerufen haben: »Hallo, eine neue Zeit hat begonnen!« Und wenn
wir das Mittelalter eine Sternennacht genannt haben, so müssen wir diese neue,
wache Zeit, die in Florenz angefangen hat, als hellen, klaren Morgen
betrachten.
Eine neue Welt
Was wir bisher Weltgeschichte genannt haben, war ja
kaum die Geschichte der halben Welt. Das meiste hat sich um das Mittelmeer herum
abgespielt, in Ägypten, Mesopotamien, Palästina, Kleinasien, Griechenland, Italien,
Spanien oder Nordafrika. Oder höchstens ganz nahe davon: in Deutschland, Frankreich
und England. Nach Osten haben wir manchmal den Blick geworfen, nach China, dem wohlbehüteten
Reich, und nach Indien, das in der Zeit, von der wir sprechen, von einer mohammedanischen
Königsfamilie regiert wurde. Aber was westlich vom alten Europa, jenseits von England
liegt, darum haben wir uns nicht gekümmert. Niemand hatte sich darum gekümmert.
Nur
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