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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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mehr feierlich, groß und heilig, wie die heiligen
Geschichten in den Büchern der Mönche und in den Fenstern der Dome abgebildet
waren, sondern bunt und lustig, unbefangen und natürlich, klar und genau, wie
man alles wollte. Die Augen aufmachen und zugreifen, das war auch in der Kunst
das Beste. In dieser Zeit lebten in Florenz darum auch die größten Maler und
Bildhauer.
    Diese Maler haben nicht nur als gute Handwerker vor ihren Bildern
gesessen, um die Welt zu schildern. Sie wollten auch alles, was sie malten,
verstehen. Besonders einen Maler gab es in Florenz, dem war es gar nicht genug,
gute Bilder zu malen, auch wenn sie noch so schön waren. Und seine waren sogar
die allerschönsten. Er wollte wissen, wie alle diese Dinge, die er da malte,
eigentlich seien und wie das alles zusammenhinge. Dieser Maler hieß Leonardo da
Vinci. Er war der Sohn einer Bauernmagd und hat von 1452 bis 1519 gelebt. Er
wollte wissen, wie ein Mensch aussieht, wenn er weint, und wie, wenn er lacht,
wie ein menschlicher Körper innen aussieht – die Muskeln, Knochen und Sehnen.
So hat er sich Leiber von Verstorbenen aus den Spitälern erbeten und sie zerlegt
und untersucht. Das war damals etwas ganz Ungewöhnliches. Er ist aber dabei
nicht stehen geblieben. Pflanzen und Tiere hat er neu angeschaut und nachgedacht,
wie die Vögel es anfangen, dass sie fliegen. Da kam er auf den Gedanken, ob das
die Menschen nicht ebenso könnten. Er war der erste Mensch, der genau und
ausführlich die Möglichkeit erforschte, einen künstlichen Vogel, eine
Flugmaschine, zu bauen. Und er war überzeugt, dass es auch einmal gelingen
werde. Mit der ganzen Natur hat er sich beschäftigt. Aber nicht so, dass er in
den Schriften des Aristoteles nachschlug oder in den Lehrbüchern der Araber. Er
wollte immer wissen, ob das, was er dort las, auch wirklich stimmte. So hat er
vor allem die Augen aufgemacht, und seine Augen haben mehr gesehen als die
irgendeines Menschen vorher. Denn er hat nicht nur geschaut, sondern auch
gedacht. Wenn er etwas wissen wollte, zum Beispiel wie es zugeht, wenn das
Wasser Wirbel bildet, oder wie die heiße Luft aufsteigt, dann hat er es eben
ausprobiert. Er gab nicht viel auf die Bücherweisheit seiner Zeitgenossen und
war der erste Mensch, der darauf ausging, alle Dinge in der Natur durch
Versuche herauszubekommen. Seine Beobachtungen zeichnete und notierte er dann
auf Zetteln und in Heften, von denen sich immer mehr bei ihm ansammelten. Wenn
man heute in seinen Aufzeichnungen blättert, dann staunt man jeden Augenblick,
dass ein einziger Mensch so viel erforschen und erfahren konnte, wovon damals
niemand etwas wusste oder auch nur wissen wollte.

    Aber die wenigsten seiner Zeitgenossen ahnten auch nur, dass dieser
berühmte Maler so viel Neues entdeckt und so ungewöhnliche Ansichten hatte. Er
war linkshändig und schrieb in einer kleinen, umgekehrten Schrift, die gar
nicht leicht zu lesen ist. Wahrscheinlich war ihm das sogar ganz recht, denn
schließlich war es damals nicht immer ungefährlich, unabhängige Meinungen zu
haben. So findet man unter seinen Notizen den Satz: »Die Sonne bewegt sich
nicht.« Sonst steht nichts da. Aber daran sehen wir, dass Leonardo wusste, dass
die Erde sich um die Sonne dreht und nicht die Sonne jeden Tag um die Erde
herumläuft, wie man das Tausende Jahre lang geglaubt hatte. Vielleicht hat sich
Leonardo auf diesen einzigen Satz beschränkt, weil er wusste, dass davon nichts
in der Bibel stand und dass viele glaubten, man müsse alle Dinge in der Natur
noch nach 2000 Jahren so sehen, wie sie die Juden gesehen hatten, als die Bibel
entstanden war.
    Aber nicht nur die Angst, für einen Ketzer gehalten zu werden, brachte
Leonardo dazu, alle seine wunderbaren Erfindungen für sich zu behalten. Er kannte
die Menschen sehr gut und wusste, dass sie alles nur dazu verwenden, sich gegenseitig
umzubringen. Darum steht in Leonardos Handschriften an einer anderen Stelle: »Ich
weiß, wie man sich unter Wasser aufhalten und lange ohne Nahrung bleiben kann. Aber
ich veröffentliche es nicht und erkläre es niemandem. Denn die Menschen sind böse
und würden diese Kunst dazu verwenden, um auch auf dem Meeresgrund zu morden. Sie
würden den Boden der Schiffe anbohren und sie mit allen Menschen, die darinnen sind,
versenken.« Leider waren nicht alle späteren Erfinder auch so große Menschen wie
Leonardo da Vinci, und so haben die Menschen längst gelernt, was er ihnen nicht
zeigen wollte.
    Zur Zeit des

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