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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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neue Zeit beginnt!« Aber das geht anders zu: Die
Menschen ändern ihre Ansichten und merken es selbst kaum. Und dann plötzlich
bemerken sie es, wie du, wenn du alte Schulhefte anschaust. Dann sind sie stolz
und sagen: »Wir sind die neue Zeit.« Und oft sagen sie noch dazu: »Früher waren
die Menschen ja dumm!«
    So etwas Ähnliches ist in der Zeit nach 1400 in den italienischen
Städten geschehen. Besonders in den reichen und großen Städten in
Mittelitalien, vor allem in Florenz. Auch dort gab es Zünfte, und auch dort hat
man einen großen Dom gebaut. Aber vornehme Ritter, wie in Frankreich und
Deutschland, gab es eigentlich nicht. Die Bürger von Florenz ließen sich von
deutschen Kaisern längst nichts mehr sagen. Sie waren so frei und unabhängig,
wie es früher einmal die Bürger von Athen gewesen waren. Und diesen freien,
reichen Bürgern, Kaufleuten und Handwerkern, wurden allmählich andere Dinge
wichtig als den Rittern und Handwerkern früher, im richtigen Mittelalter.
    Ob einer ein Kämpfer oder Handwerker Gottes war, der alles nur im
Dienst und zu Ehren Gottes tat, darauf sah man weniger. Man wollte vor allem,
dass er ein ganzer Kerl ist, der etwas versteht und etwas kann. Der einen
eigenen Willen hat und ein eigenes Urteil. Der niemanden um seine Meinung fragt
und niemanden um seine Zustimmung. Der nicht in alten Büchern nachschlägt und
sich erkundigt, wie es denn früher Brauch und Sitte gewesen, sondern der die
Augen aufmacht und zugreift. Darauf kam es ihnen an. Auf das Augenaufmachen und
Zugreifen. Ob einer ein Vornehmer war oder ein Armer, ein Christ oder ein
Ketzer, ob er alle Regeln der Zunft einhielt, das war alles mehr oder weniger
Nebensache. Selbstständigkeit, Tüchtigkeit, Verstand, Wissen, Tatkraft waren
die Hauptsache. Man fragte wenig nach Herkunft, Beruf, Religion, Vaterland, man
fragte: Was bist du für ein Mensch?
    Und plötzlich gegen 1420 haben die Florentiner bemerkt, dass sie
anders waren, als man im Mittelalter war. Dass sie auf andere Dinge etwas
gaben. Dass sie andere Sachen schön fanden als ihre Vorfahren. Die alten Dome
und alten Bilder kamen ihnen finster und steif vor, die alten Sitten
langweilig. Sie suchten nach etwas, was ebenso frei, unabhängig und unbefangen
war, wie sie es liebten. Und da haben sie das Altertum entdeckt. Richtig
entdeckt. Es war ihnen gar nicht wichtig, dass die Leute damals Heiden gewesen
waren. Und da staunte man nun, was das für tüchtige Menschen gewesen waren. Wie
sie über alle Fragen in der Natur und in der Welt mit Gründen und Gegengründen
frei gestritten haben, wie sie sich für alles interessiert haben. Diese
Menschen wurden jetzt die großen Vorbilder. Besonders natürlich in der
Wissenschaft.
    Man machte auf lateinische Bücher geradezu Jagd und bemühte sich, ebenso
gut und klar Lateinisch zu schreiben wie die richtigen Römer. Auch Griechisch hat
man gelernt und sich an den herrlichen Werken der Athener aus der Zeit des Perikles
erfreut. Man beschäftigte sich bald viel mehr mit Themistokles und Alexander, mit
Cäsar und Augustus als mit Karl dem Großen oder Barbarossa. Es war so, als ob die
ganze Zeit dazwischen nur ein Traum gewesen wäre, als ob das freie Florenz eine
Stadt werden würde wie Athen oder Rom. Die Leute hatten plötzlich das Gefühl, diese
alte, längst vergangene Zeit der griechischen und römischen Kultur sei wiedergeboren .Sie selbst fühlten
sich wie neugeboren durch diese alten Werke. Darum sprach man viel von »Rinascimento«,
das heißt auf Deutsch »Wiedergeburt« oder mit einem Fremdwort auch Renaissance .Was dazwischen lag, daran
waren, so glaubte man, die wilden Germanen schuld, die das Reich zerstört hatten.
Die Florentiner wollten nun den alten Geist durch eigene Kraft wiedererstehen
lassen.
    Sie schwärmten für alles aus der Römerzeit, für die herrlichen
Statuen und prachtvollen, großen Bauten, von denen es ja in Italien überall
Ruinen gab. Früher hatten sie »Trümmer aus der Heidenzeit« geheißen, und man
hatte sie eher gefürchtet als angeschaut. Jetzt sah man plötzlich wieder, wie
schön das war. Und so haben die Florentiner wieder begonnen, mit Säulen zu
bauen.
    Man hat aber nicht nur die alten Sachen gesucht. Man hat sich die
Natur selbst wieder so neu und unbefangen angeschaut wie 2000 Jahre früher die
Athener. Man hat entdeckt, wie schön die Welt ist, der Himmel und die Bäume,
die Menschen, die Blumen, die Tiere. Man hat die Dinge so gemalt, wie man sie
gesehen hat. Nicht

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